Herr Präsident Wissmann, die wachsende Mobilität hat zur Folge, dass viele Menschen fast mehr Zeit im Auto verbringen als in ihrem Wohnzimmer. Wie hat sich die Autoindustrie darauf eingestellt?
Matthias Wissmann: Gerade weil die Menschen mehr Zeit im Auto verbringen, legen sie besonderen Wert auf Komfort, Sicherheit und die Möglichkeit zur Kommunikation. Die vielen Verkehrsstaus belegen, dass wir dringenden Handlungsbedarf bei der Infrastruktur haben. Das wichtigste Mittel zur Staureduzierung ist der bedarfsgerechte Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Aber natürlich geht es auch darum, die Information des Fahrers über die Verkehrslage zu verbessern. Hier war RDS/TMC bisher eine gute Lösung, allerdings mit begrenzten Möglichkeiten. Deshalb haben wir uns mit vielen anderen dafür eingesetzt, dass das digitale Radio endlich Fahrt aufnimmt. Die Automobilindustrie hat die Voraussetzungen geschaffen, dass DAB-Radios in alle Pkw-Modelle, bis hin zum Kleinwagensegment, eingebaut werden können. Das digitale Radio verbessert aber nicht nur die Information des Fahrers, sondern auch die Unterhaltung. Autofahrer in Deutschland hören im Durchschnitt täglich fast 40 Minuten Radio während der Fahrt. Mit DAB kommt es künftig in CD-Qualität ins Auto.
Infrastrukturminister Dobrindt hat (zuletzt im Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk) bekräftigt, den Breitbandausbau bundesweit voranzutreiben. Ist das aus Sicht der Automobilindustrie der richtige Weg oder sollten auch andere Technologien wie beispielsweise DAB+ stärker politisch beflügelt werden?
Beides ist wichtig. Digitaler Rundfunk ist bestens geeignet, die Grundversorgung der Autofahrer mit Verkehrsinformationen – vor allem sicherheitsrelevanten Informationen – in der Breite und ohne Zusatzkosten zu gewährleisten. Internet-basierte Dienste, wie sie viele unserer Hersteller schon heute anbieten, gehen darüber hinaus und bieten individualisierte und maßgeschneiderte Informationen und Kommunikation an. Sie ermöglichen zum Beispiel dem Beifahrer das Abrufen von E-Mails oder den Zugang zu Sozialen Netzwerken während der Fahrt. Digitaler Rundfunk und internetbasierte Lösungen ergänzen sich also.
Welche Innovationen sind in den nächsten Jahren zu erwarten?
Die Automobilhersteller verbessern ihre eigenen IP-basierten Informations- und Kommunikationsangebote immer weiter. Der Autofahrer erwartet von seinem neuen Auto, dass er im Fahrzeug ebenso gut vernetzt ist wie zu Hause. Eine interessante Perspektive bietet auch Smart Radio via RadioDNS, mit dem Rundfunk und Internet in einem Gerät zusammenwachsen.
Wie viel Prozent der Neuwagen sind für den deutschen Markt schon heute mit Digitalradio DAB+ ausgerüstet?
Bei den Neuwagen werden inzwischen mehr als 10 Prozent mit Digitalradio ausgeliefert – im Premiumsegment ist der Anteil noch höher. Von Monat zu Monat ist ein wachsendes Interesse der Autokäufer am Digitalen Radio festzustellen. Die Entwicklung zeigt eindeutig nach oben.
Jüngsten Untersuchungen zur Folge ist LTE als Massenmedium ungeeignet und zu teuer, muss nun auch die Autoindustrie bei der Digitalisierung ihres Infotainment-Angebotes umdenken, denn bislang lag da der Focus in dem Bereich vor allem auf dem mobilem Internet?
Um es noch einmal zu unterstreichen: Digitalradio und die IP-basierten Angebote der Automobilhersteller widersprechen sich nicht. Die Internet-basierten Angebote ergänzen vielmehr die kostenlose Grundversorgung der Autofahrer mit Verkehrsinformationen um individualisierte Dienste. Künftig erwarten die Autofahrer, dass sie während der Fahrt global vernetzt sein können.
Ab wann kommt DAB+ serienmäßig ins Auto?
Wenn Sie neue Fahrzeuge unserer Hersteller konfigurieren, dann sehen Sie sehr schnell,wie umfangreich das Angebot an Audio- und Kommunikations-Technologie ist. Es spricht vieles dafür, dem Kunden die Entscheidung zu überlassen, welches Audio-System er wünscht und bestellt. Der Hochlauf der Nachfrage zeigt, dass das Digitalradio einen serienmäßigen Einbau in unsere Fahrzeuge nicht nötig hat, um erfolgreich zu werden.