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AdBlocker als digitale Selbstverteidigung

Warum die Digitale Gesellschaft ein Adblocker-Verbot für einen völligen Irrweg hält

Volker Tripp, Advocacy Manager Digitale Gesellschaft e.V. Quelle: privat Volker Tripp Advocacy Manager Digitale Gesellschaft e.V. 21.03.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Statt Adblocker zu bekämpfen, empfiehlt Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e.V. den Inhalte-Anbietern "sich an der Gestaltung des digitalen Wandels aktiv zu beteiligen." Kritisch sieht er das kommerzielle Whitelisiting. Damit "ist weder den Nutzenden noch den Werbetreibenden, sondern ausschließlich den AdBlocker-Anbietern gedient."







Mehrere Verlagshäuser klagen gegen einen Adblocker-Anbieter, weil sie ihr Geschäftsmodel gefährdet sehen. Zurecht?
Es mag durchaus sein, dass die Verwendung von Adblockern für die Verlagshäuser mit Verlusten bei den Einnahmen aus der Online-Werbung einhergeht. Dass diese Verluste ein geschäftsgefährdendes Ausmaß erreichen, darf aber getrost bezweifelt werden. Nur etwa 20% der Nutzenden verwenden überhaupt einen AdBlocker. In rund 80% der Fälle können die Verleger also ungehindert Werbung ausliefern.

Hinzu kommt, dass sich auch bei journalistischen Angeboten immer mehr Bezahlmodelle etablieren. Die dadurch generierten Einnahmen mögen die Verluste aus der Online-Werbung derzeit noch nicht vollständig kompensieren. Mit dem richtigen Angebot, das im Hinblick auf Preis und Benutzungskomfort den Kundenerwartungen entspricht, dürfte das aber durchaus zu schaffen sein.

Netflix und Spotify machen es vor: Eine Flatrate, mit der die Nutzenden einfach und schnell auf einen großen Pool an Inhalten zugreifen können, besitzt gute Aussichten, am Markt zu bestehen. Deshalb ist ein digitaler Kiosk wie "Blendle" ein erster Schritt in die richtige Richtung. Diesen Weg sollten die Verleger nun weiter beschreiten und offen für Experimente sein. Wie auch die Erfahrungen im Bereich der Musik- und Filmvermarktung belegen, ist es weitaus gewinnbringender, sich an der Gestaltung des digitalen Wandels aktiv zu beteiligen, als zu versuchen, ihn aufzuhalten und seine Auswirkungen zu bekämpfen.

In den angesprochenen Gerichtsverfahren haben bislang übrigens alle Instanzen das eigentliche Adblocking als zulässig bewertet. Daran wird sich m.E. auch in künftigen Prozessen nichts ändern. Das kommerzielle Whitelisting hingegen könnte, wie zuletzt auch eine Entscheidung des OLG Köln gezeigt hat, durchaus wettbewerbswidrig sein. Klarheit wird hier allerdings wohl erst ein Urteil des BGH bringen.

In der Netzgemeinde wird - abseits der rechtlichen Bewertung – heftig über eine Funktion diskutiert, bei der ein Adblocker Werbung (u.U. gegen Provision) doch anzeigt. Wie bewerten Sie diese „Acceptable Ads“?
Mit kommerziellem Whitelisting ist weder den Nutzenden noch den Werbetreibenden, sondern ausschließlich den AdBlocker-Anbietern gedient. Wer einen Adblocker verwendet, möchte in der Regel gerade keine Werbung angezeigt bekommen, egal ob diese vom Adblock-Anbieter als "acceptable"bewertet wurde oder nicht. Da über Online-Werbung außerdem auch Schadprogramme verteilt werden können (sog. "Malvertising"), stellt das Whitelisting obendrein ein Sicherheitsrisiko dar. Erfreulicherweise gibt es sehr gute Open-Source-Alternativen zu Adblockern mit "Acceptable Ads", die gratis und legal im Netz zu haben sind.

Für die Werbetreibenden wiederum bewirken "Acceptable Ads" neben Einschränkungen bei der Anzeigen-Gestaltung auch spezifische Benachteiligungen kleinerer Anbieter. Während große Player wie etwa Google sich von der Werbeblockade freikaufen können, fehlt weniger finanzstarken Akteuren dafür unter Umständen das nötige Kleingeld.Kommerzielles Whitelisting begünstigt daher Monopolisierungstendenzen im Bereich der Online-Werbung.

Befürworter von Adblockern halten Online-Werbung oft für zu aufdringlich. Inwieweit sind die Webseiten-Betreiber und Werbewirtschaft an der Popularität von Adblockern „selbst schuld“?
Die Nachfrage nach AdBlockern ist gewiss auch auf die Verbreitung immer aufdringlicherer und vor allen Dingen intrusiverer Werbeformen zurückzuführen. Werbung zielt immer mehr darauf ab, Nutzende zu identifizieren, sie im Netz zu verfolgen und Informationen über ihr Surf- und Konsumverhalten zu sammeln. Insofern stellt der Einsatz von AdBlockern ein wichtiges Mittel zur digitalen Selbstverteidigung und zum Schutz der Privatsphäre dar.
Ein weiterer und vielleicht noch wichtigerer Grund, AdBlocker zu verwenden, ist der Schutz vor Schadsoftware, die über manipulierte Werbeanzeigen in die Werbenetzwerke eingestreut wird. Mithilfe dieses sogenannten "Malvertisings" können Kriminelle etwa an Zugangsdaten für fremde Bankkonten gelangen, den angegriffenen Rechner zum Betrieb von Botnetzen missbrauchen oder die Festplatte des angegriffenen Rechners verschlüsseln, um danach ein Lösegeld zu erpressen.

Verleger und Online-Werber müssen sich daher fragen lassen, was sie eigentlich zum Schutz der legitimen Interessen ihrer Zielgruppe tun und wie sie Malvertising effektiv verhindern. Geeignete Maßnahmen dazu könnten seitens der Werbenetzwerke die gründliche Untersuchung der Werbepartner und eine regelmäßige Überprüfung der ausgelieferten Werbung sein. Die Verleger sollten ihrerseits auch den Druck auf die Werbenetzwerke erhöhen, in solche präventiven Maßnahmen zu investieren.

In NRW gibt es einen Vorstoß für ein weitgehendes Verbot für Adblocker. Wie bewerten Sie das?
Ein pauschales AdBlocker-Verbot ist ein völliger Irrweg. Es wäre äußerst widersprüchlich, die Menschen einerseits dazu aufzurufen, selbst Maßnahmen zum Schutz ihrer Privatsphäre und ihrer personenbezogenen Daten im Netz zu ergreifen und ihnen andererseits die dafür notwendigen Werkzeuge aus der Hand zu nehmen. Obendrein wäre ein solches Verbot auch kaum durchsetzbar, da es schon heute zahlreiche Open-Source-Varianten von AdBlockern gibt, die nicht durch einen bestimmten Anbieter vertrieben werden und frei im Netz erhältlich sind.

Eine andere Frage ist der Umgang mit Praktiken wie dem kommerziellen Whitelisting. Ob es hier tatsächlich Regulierungsbedarf gibt oder nicht, wird sich zeigen, wenn die oben angesprochenen, derzeit noch laufenden Verfahren höchstrichterlich ausgeurteilt worden sind.

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