Mehrere Verlagshäuser klagen gegen einen Adblocker-Anbieter, weil sie ihr Geschäftsmodel gefährdet sehen. Zurecht?
Wir glauben nicht, dass das Geschäftsmodell der Verleger gefährdet ist, da unsere Lösungen andere Wege für Verleger aufzeigen, um weiterhin Geld mit Anzeigen zu verdienen. Der große Unterschied ist, dass unsere Vorschläge den Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Mehrere Studien belegen, dass die wenigsten Nutzer sich durch aufdringliche Werbung angesprochen fühlen. Das Gegenteil ist der Fall, sehr störende Werbung kann beim Nutzer das Image der werbetreibenden Firma beschädigen.
Verleger haben die Möglichkeit ihre Webseiten so zu gestalten, dass Nutzer gar nicht erst dazu motiviert werden, einen Adblocker zu installieren. Das Zitat “We messed up” von der IAB (Interactive Advertising Bureau) zeigt in aller Deutlichkeit, dass Werber mittlerweile erkannt haben, dass sie selbst die Verantwortung für gestiegene Adblockingraten tragen. Die Geschäftsmodelle hinter digitalem Content befinden sich gerade in einer Umbruchphase. Viele Anbieter setzen bereits auf “Freemium”-Modelle, bei denen ein Großteil des angebotenen Contents gratis ist, während bestimmte meist lange und aufwendig recherchierte Artikel nur per Abo oder gegen eine andere Form der finanziellen Kompensation angeboten werden. Sicherlich spielt Werbung weiterhin eine Rolle, jedoch wird diese auf Grund der Bereitschaft von Nutzern für Inhalte zu bezahlen in der Zukunft wahrscheinlich eher kleiner als größer werden. Lösungen, die Nutzern Zugang zu Premium Inhalten auf unterschiedlichen Webseiten bieten, sind schon in den Startlöchern, wie z. B. unsere Extension Flattr, welche eine Lösung für zero-click Micropayments bieten wird.
In der Netzgemeinde wird - abseits der rechtlichen Bewertung – heftig über eine Funktion diskutiert, bei der ein Adblocker Werbung (u. U. gegen Provision) doch anzeigt. Wie bewerten Sie diese „Acceptable Ads“?
Acceptable Ads sind ein guter und wichtiger Schritt dabei, den Nutzer in der Debatte um Online-Werbung mit zu berücksichtigen. Nutzer installieren sich Adblocker vor allem um nicht mehr extrem störender Werbung ausgesetzt zu sein, jedoch möchte ein Großteil der Adblocker Nutzer auch, dass Content gratis bleibt. Acceptable Ads ermöglichen es Verlegern und Webseitenbetreibern weiterhin ihre Plattformen durch Werbung zu finanzieren. Die Werbeformate, die als Acceptable Ads zertifiziert worden ist, werden von über 90% der Nutzer akzeptiert, die Adblock Plus installiert haben.
Dies liegt unter anderem daran, dass ein Großteil der Adblocker-Nutzer sich bewusst ist, dass Verlage und Content-Erzeuger sich durch Online-Werbung finanzieren. Über 90% der Adblock Plus Nutzer zum Beispiel erlauben diese unaufdringliche Art der Werbung, das heißt, dass bestimmte Formate der Online-Werbung durchaus für Nutzer nicht störend sind.
Befürworter von Adblockern halten Online-Werbung oft für zu aufdringlich. Inwieweit sind die Webseiten-Betreiber und Werbewirtschaft an der Popularität von Adblockern „selbst schuld“?
Die Antwort darauf findet sich in der Evaluation von der Wertigkeit einzelner Online-Anzeigen, die wir den Teufelskreis der Werbung nennen. Damit gemeint ist, dass die fehlende Verknappung in der Online-Werbung zu immer mehr und vor allem immer aufmerksamkeitsstärken Formate führt. Dieser Teufelskreis spiegelt sich weiterhin durch die unbeschränkte Verfügbarkeit von Werbeplätzen wieder, was dementsprechend zu sinkenden Preisen führt. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Wertigkeit von Werbeplätzen wieder erhöht werden sollte und dies bemisst sich vor allem in der Qualität der Anzeigen, nicht in der Quantität.
In NRW gibt es einen Vorstoß für ein weitgehendes Verbot für Adblocker. Wie bewerten Sie das?
Das von den Verlagshäusern geforderte Verbot von Adblockern impliziert autoritäres Verhalten, das im Internet nur bei Verstoß gegen Gesetze oder Regeln angewendet werden sollte. Nutzer, die Adblocker installiert haben, sind weder kriminell, noch haben sie das Ziel Verlagen zu schaden. Wir hoffen stattdessen auf Einsichtigkeit der Verlage, dass dem Problem, dass sie durch Adblocker fürchten, nicht mit einem Verbot geholfen wird. Stattdessen wäre ein diplomatischer Weg aus der Krise für Verlage und Werber, sich auf die Meinung der Nutzer einzulassen - schließlich installieren diese Adblocker freiwillig und nicht ohne Grund. Weiterhin ist dieser Vorstoß verfassungsrechtlich bedenklich, da er gegen das Selbstbestimmungsrecht der Nutzer verstößt. Er würde ebenfalls die Barrierefreiheit im Internet betreffen, da ein solches Verbot sich z. B. auch auf Plugins beziehen würde, auf die blinde oder schwerhörige Menschen angewiesen sind. Zusammenfassend, ist dieser Vorstoß dementsprechend nicht nur gefährlich, sondern auch eine gravierende Kompetenzüberschreitung, da lediglich um eine Stellungnahme gebeten wurde.