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Alufelgen, Ledersitze oder lieber ein DAB+ Radio?

Warum Digitalradio noch immer von der Käufergunst abhängig ist

Martin Speitel, Gruppenleiter Infotainment, Bereich Kommunikationssystem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Quelle: Fraunhofer IIS Martin Speitel Gruppenleiter Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS 06.07.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Erlangen unterstützt die Forderung nach einem serienmäßigen Digitalempfang über DAB+ im Auto. Denn noch immer konkurriere das DAB+ Radio mit klassischen Sonderausstattungen wie Alufelgen und Ledersitzen um das Budget eines Autokäufers, so Martin Speitel, Gruppenleiter Infotainment am Fraunhofer-Institut. Gerade im Hinblick auf das EWF (Emergency Warning Functionality) spiele das terrestrische Digitalradio eine extrem wichtige Rolle bei der Bevölkerungswarnung im Katastrophenfall, "und sollte daher in keinem Auto fehlen".







Auf der Automotive-Tagung des Digitalradio-Weltverbandes WorldDAB in München wurde gefordert, DAB+ in jedes Auto serienmäßig einzubauen. Unterstützen Sie diese Forderung für Deutschland?
Statistiken zeigen, dass nach wie vor die meiste Zeit im Auto Radio gehört wird und die Weichen für die Zukunft auf DAB+ gestellt sind. Ich denke, dass der terrestrische Rundfunk noch lange eine dominierende Rolle behalten wird. Im Auto kommen die neuen Möglichkeiten, die das digitale Rundfunksystem DAB+ bietet, am deutlichsten zum Vorschein. Insofern halte ich die Forderung nach einem serienmäßigen Digitalempfang über DAB+ für sinnvoll. Neben dem störungsfreien und kostenlosen Empfang sind das vor allem die erheblich verbesserten Verkehrsinformationen, aber auch eine Programmvorschau, programmbegleitende Zusatzinformationen via Journaline mit Text-to-Speech-Ausgabe oder einfach übertragene Bilder. Und letztlich bekommt DAB+ mit der breiten Verfügbarkeit von EWF (Emergency Warning Functionality) eine extrem wichtige Rolle bei der Bevölkerungswarnung im Katastrophenfall, und sollte daher in keinem Auto fehlen.

Woran liegt es, dass in Deutschland erst gut 20 Prozent der Neuwagen mit DAB+ ausgerüstet werden?
Immerhin ist der Anteil an Neuwagen mit DAB+ steigend. Bei vielen Fahrzeugen in Deutschland ist DAB+ nach wie vor eine teilweise teure Zusatzoption oder mit anderen Ausstattungskomponenten gekoppelt.

Für den Käufer stellt sich damit die Frage, welchen Mehrwert er mit einer DAB+ Ausstattung hat oder ob er sein Geld lieber in andere Ausstattungsdetails investiert, die mehr Sichtbarkeit haben oder möglicherweise einen höheren individuellen Nutzen versprechen. Das DAB+ Radio konkurriert daher mit klassischen Sonderausstattungen wie Alufelgen und Ledersitzen um das Budget eines Autokäufers.

Eine unzureichende Programmauswahl, mangelnde Zusatzdienste oder der Stand des Netzausbaus sind inzwischen kein Argument mehr, sich gegen einen DAB+ Empfänger zu entscheiden. Für mich war das auch nie ein Argument, denn DAB+ hat von Anfang an zusätzliche Programme und Möglichkeiten geboten.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Autohändler am Point of Sale von DAB+ noch stärker zu überzeugen? Was kann die Politik ggf. tun?
Die Autohersteller und auch die Verkäufer am Point of Sale stecken in einem Dilemma. Einerseits soll sich ein digitales Radio genauso wie ein altes UKW Radio verhalten. Der Autofahrer soll überhaupt nicht merken, dass er ein digitales Radio besitzt. Es wird großer technischer Aufwand betrieben, damit das Radio automatisch und möglichst unauffällig zwischen digitalem Empfang über DAB+, analogem UKW und vielleicht sogar Internetradio umschaltet.

Andererseits sollen die neuen Möglichkeiten von DAB+ in den Vordergrund gestellt werden. Wir haben gerade in Deutschland ein ausgezeichnetes Angebot an Zusatzdiensten wie Journaline, dessen Anzeige einige Autohersteller bereits voll unterstützen. Dies gilt es durch entsprechende Demo-Geräte in den Verkaufsräumen und Händlerschulungen der Händler noch viel mehr zu bewerben. Hilfreich ist hierbei die Tatsache, dass es immer mehr Services bzw. Programme gibt, die ausschließlich digital zu empfangen sind.

Und dann steht natürlich noch die Frage nach einer UKW-Abschaltung im Raum. Ein Auto wird für viele Betriebsjahre gebaut. Sobald der Autokäufer Bedenken haben muss, dass sein reines UKW-Radio in absehbarer Zeit weniger Nutzwert haben wird, wird er sich leichter von DAB+ überzeugen lassen. Es gibt inzwischen ein ganz gutes Angebot an Nachrüstkits, aber diese sind nie mit werksseitig eingebauten Empfängern zu vergleichen. Ich bin daher überzeugt, dass das Vorhandensein eines DAB+ Radios bereits in wenigen Jahren einen spürbaren Einfluss auf den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs haben wird.

Wichtig ist auch, DAB+ in die Mietfahrzeuge zu bekommen. Zum einen kommen damit immer mehr Menschen in Kontakt mit DAB+ und lernen so seine Vorzüge kennen, zum anderen sind die Mietfahrzeuge von heute die Gebrauchtwagen von morgen.

Sollte Deutschland nach Norwegen, der Schweiz und UK das vierte Land werden, dass UKW zugunsten von DAB+ abschaltet? Wann könnte dafür der richtige Zeitpunkt sein?
Norwegen zeigt, dass ein harter Umstieg von Analog- auf Digitalradio möglich ist. In Deutschland hat man das für den Fernsehempfang schon mehrfach erfolgreich praktiziert. Man muss beim Umstieg auf DAB+ nicht den ganz harten Weg wählen, sondern kann den Übergang langsam vollziehen, indem neue Sendelizenzen z.B. nur noch für digitalen Rundfunk vergeben werden. Aktuell werden viele Programme gleichzeitig über DAB+ und UKW ausgestrahlt. Der Kostendruck der öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunkanstalten wird mit steigender Verbreitung der DAB+ Radios automatisch dazu führen, dass man das UKW Angebot reduziert. Formale Ab- bzw. Umschaltkriterien sind hilfreich, die Radiohörer zu überzeugen, DAB+ Radios zu kaufen. Vielleicht wird ein konkreter Abschaltzeitpunkt dann überhaupt nicht mehr nötig sein und man stellt irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft fest, dass man UKW abgeschaltet hat und kaum einer hat es gemerkt.

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