Diesel-Skandal, selbstfahrende Autos von Start-Ups, künftige Verbrennungsmotoren-Verbote in verschiedenen Ländern - die deutsche Autoindustrie steht unter starkem Druck. Wo ist die sprichwörtliche deutsche Innovationskraft geblieben?
Die Automobilbranche steht seit geraumer Zeit unter einem enormen Wettbewerbsduck, der durch weltweite Überkapazitäten gekennzeichnet ist. Dies wurde in den letzten Jahren durch Verkaufserfolge der deutschen Hersteller vor allem in den Wachstumsmärkten in Asien überdeckt, die nicht zuletzt auf der Innovationskraft und der Qualität der deutschen Autos beruhen. Deutsche Hersteller führen seit Jahren das Innovationsranking des Centers of Automotive Managements an, da sie sich bewusst sind, dass es nur möglich ist, durch innovative Produkte und Fertigungsmöglichkeiten die Spitzenposition zu halten oder auszubauen. Die Innovationen sind vielleicht nicht so sichtbar und spektakulär, wie das bei Start-Ups oft der Fall ist, jedoch sichern diese seit Jahrzehnten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autobauer. Ich denke da nur an innovative Materialtechnologien, erste Karosserien mit Kohlefaser in Serie oder andere Leichtbauweisen. Aber auch in der Antriebstechnologie ist Deutschland führend. Betrachtet man konventionelle Antriebe mit Verbrennungsmotoren wird dies, trotz Dieselskandal, deutlich und auch bei den von deutschen Herstellern angebotenen Elektrofahrzeugen sind technologisch keine wesentlichen Unterschiede zu amerikanischen oder asiatischen Fahrzeugen erkennbar. Es ist kein Zeichen der Arroganz oder des Unvermögens, wenn führende Konzerne mit der Verantwortung für Millionen von Arbeitsplätzen im Innovationsmanagement das Risiko einer jeden Innovation durch die Strategie des „Fast Followers“ reduzieren. Natürlich können „äußere“ Einwirkungen wie Verbrennungsmotoren-Verbote den Status Quo deutlich verschieben. Insofern besteht die wesentliche Gefahr für die deutsche Autoindustrie eher in einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen als durch die Innovationskraft von jungen Unternehmen, die den Markt der individuellen Mobilität entdecken und bereichern.
Welche Zukunft hat der Individual-Verkehr angesichts von Klimawandel und Umweltproblemen überhaupt?
Im Artikel 2 unseres Grundgesetzes ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit dem Recht auf die persönliche Freiheit gleichgestellt. Neben der Gesundheit ist die individuelle Freiheit und hier schließe ich die Mobilität ausdrücklich ein, eines unserer höchsten Güter. Es kann keineswegs Ziel sein diese Freiheit einzuschränken. Im urbanen Raum wird die individuelle Mobilität durch ein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln sichergestellt, ergänzt durch intelligente Angebote wie zum Beispiel carsharing, welche dort genutzt werden, wo der öffentliche Verkehr nicht mehr in der Lage ist, die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen abzudecken. In diesem urbanen Umfeld sehen viele Menschen heute den persönlichen Besitz eines Autos mehr und mehr als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit.
Im ländlichen Bereich sieht die Situation vollkommen anders aus. Hier würde jede Einschränkung des Individualverkehrs dazu führen, dass die Menschen nicht mehr wirklich am öffentlichen Leben teilnehmen können. Gerade in Deutschland und vielen anderen europäischen Flächenländern sehe ich aus diesem Grund die Notwendigkeit des individuellen Autoverkehrs auch für die ferne Zukunft. Jedoch muss es aufgrund der ökologischen Anforderungen gelingen, den öffentlichen und individuellen Verkehr viel stärker intelligent miteinander zu vernetzen unter dem Motto „so mobil wie möglich, so individuell wie nötig“.
In der Vergangenheit – etwa bei der Einführung der Katalysatoren – hat die Politik einen Technologiewandel massiv unterstützt. Wie kann und sollte die Politik in künftigen Strukturwandel der Autoindustrie eingreifen?
Die steuerliche Unterstützung bei der Einführung von Katalysatoren oder Partikelfiltern war richtig, wie sich in der Verbesserung der Luftqualität in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren zeigt. Auch die Abwrackprämie hat einen nachhaltigen Schub bei der flächendeckenden Einführung neuer emissionsarmer Fahrzeuge bewirkt. Beides war mit positiven Auswirkungen für den Bürger (Kunden) verbunden. Jedoch zeigt die E-Auto-Prämie kaum Wirkungen. Den Grund sehe ich vor allem darin, dass trotz finanzieller Anreize keine wirklichen Vorteile für den Kunden erkennbar sind. Zu hoch sind die Kosten für die Anschaffung, verbunden mit zurzeit noch nicht absehbaren Risiken beim Gebrauch der Fahrzeuge oder hinsichtlich des Wertverlustes aufgrund unzureichender Akkuhaltbarkeit. Man sollte ohne ideologische Scheuklappen die Vor- und Nachteile der einzelnen Antriebskonzepte einer Gesamtbewertung unterziehen, und faire Wettbewerbsbedingungen politisch festlegen. Eine derartige politische Begleitung des Strukturwandels halte ich für wesentlich sinnvoller als die Wettbewerbsverzerrung durch einseitige Schaffung finanzieller Anreize.
Millionen Besitzer von Diesel-Autos müssen sich künftig vermutlich auf Fahrverbote einstellen – wer sollte die Diesel-Fahrer wie entschädigen?
Generell halte ich Fahrverbote für den absolut falschen Weg und das aus mehreren Gründen. Hier sind zunächst einmal die umweltpolitischen Gründe zu nennen. Der Dieselmotor besitzt gegenüber dem Ottomotor prinzipbedingt einen deutlichen CO2-Emissionsvorteil, der jedoch genauso prinzipbedingt verbunden ist mit einem Nachteil bei den Schadstoffemissionen. Die Schadstoffe können, wenn auch relativ aufwändig, mit entsprechender Technologie gereinigt werden. Bei der ganzen aktuellen Diskussion wird vollkommen vergessen, dass die meisten Euro 4- und alle Euro 5-Diesel-Pkw mit geschlossenen Dieselpartikelfiltersystemen ausgerüstet sind, die nicht manipulierbar oder abschaltbar sind. Einen solchen Pkw aufgrund von Feinstaubalarm vom Verkehr auszuschließen ist in keiner Weise gerechtfertigt. Die Problematik der manipulierbaren Stickoxidemissionen muss beseitigt werden und hier sind die Automobilhersteller gefordert, sicherzustellen, dass die technisch mögliche Abgasreinigung auch sicher funktioniert. Im Übrigen hat hier der Gesetzgeber bereits reagiert und die Einhaltung der Emissionen im Realfahrbetrieb für Typprüfungen ab 2017 zwingend vorgeschrieben. Wer jetzt jedoch flächendeckend die Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren fordert, verkennt die Komplexität dieser chemischen Schadstoffwandler. Nur ein sorgfältig, mit enormen Entwicklungsaufwand abgestimmtes System ist in der Lage, einerseits die schädlichen Stickoxide umzuwandeln und andererseits die Entstehung des stechend riechenden und giftigen Ammoniaks (was für Autoabgase übrigens nicht limitiert ist) zu vermeiden.
In unserer hochindustrialisierten Welt mit ihren globalen Verkehrs-und Warenströmen muss stets auch eine Interessenabwägung erfolgen, da der Einsatz von Technik stets auch Auswirkungen auf Mensch und Natur hat. Es ist Aufgabe der Politik hier für den Interessenausgleich zu sorgen. Eine flächendeckende Einführung von Fahrverboten, ohne breiten gesellschaftlichen Konsens, ist nicht finanziell zu entschädigen.