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Automatischer Warentransport braucht europarechtliche Regelungen

Vor welchen Herausforderungen die Logistikbranche steht

Tim Schneider, Leiter Prozesse / Standards, Digitalisierung beim DSLV Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V. Quelle: DSLV Tim Schneider Leiter Prozesse / Standards, Digitalisierung DSLV Deutscher Speditions- und Logistikverband 28.04.2017
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Tim Schneider vom DSLV Deutscher Speditions- und Logistikverband versteht die Skepsis vieler (oft mittelständischer) Logistik-Unternehmen gegenüber der Digitalisierung. Er sagt aber auch: "Wer nicht versucht das eigene Geschäftsmodell mit neuen Technologien zu ergänzen, riskiert in den nächsten Jahren vom Wettbewerb überholt zu werden."







Nach einer Untersuchung in der Logistikbranche will mehr als die Hälfte der Unternehmen mit eigenen, digitalen Projekten abwarten, bis erprobte Lösungen vorliegen. Ist das die richtige Strategie?
Niemand erwartet von der Logistik eine „Move Fast and Break Things“-Mentalität wie man sie aus der Startup-Szene kennt. Aber fest steht trotzdem: Wer nicht versucht das eigene Geschäftsmodell mit neuen Technologien zu ergänzen, riskiert in den nächsten Jahren vom Wettbewerb überholt zu werden. Abwarten und auf die erfolgreiche Umsetzung durch andere zu spekulieren, war in der Vergangenheit der vermutlich sicherste Weg, um auf den Fortschritt der Industrie zu reagieren. Das heutige Innovationstempo lässt diese Strategie jedoch nicht mehr zu. Wer stehen bleibt, wird schnell abgehängt.

Ein entscheidender Vorteil der Digitalisierung an dieser Stelle ist, dass das Innovationspotential KMU gleichermaßen wie Endkunden zur Verfügung steht. Jeder Mitarbeiter besitzt mittlerweile einen PC und ein Smartphone und könnte, zumindest in der Theorie, noch heute ein eigenes Programm schreiben. Mit diesem Ansatz können bereits jetzt in kleinen, betriebsinternen Projektgruppen spontane Lösungen konzipiert und schon nach kürzester Zeit in den täglichen Betrieb eingeführt werden. Hier ist es wichtig, keine Berührungsängste zu haben, um selber erkennen zu können, welche digitalen Projekte umsetzbar sind.  Die genauen Anwendungsbereiche unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen. Die Möglichkeit, eigene Lösungen zu eigenen Problemen zu finden, ist eine der größten Chancen des digitalen Wandels.

Ein Drittel der Befragten sieht in der Digitalisierung hohe oder sehr hohe Risiken. Ist die Branche zu ängstlich oder sind die Sorgen berechtigt?
In vielen Bereichen sind digitale Dienste im Begriff, die herkömmlichen Dienstleister vom Markt zu verdrängen. Da dieser Trend sich über einige Jahre fortführen wird, sind die Sorgen der Logistiker zunächst berechtigt. Oft folgt eine solche Angst jedoch als Konsequenz auf fehlendes Verständnis für die eigentlichen Chancen der Digitalisierung.

Der Begriff ‚Digitalisierung‘ beschreibt eine Vielzahl an Anwendungen und verrät gleichzeitig sehr wenig über die genauen Anwendungsbereiche, die Kosten der Implementierung neuer Technologien, oder den Mehrwert, der durch die digitale Transformation überhaupt entsteht. Wenn dann noch weitere Punkte wie Datenschutz und Cybersicherheit hinzukommen, wirkt die Thematik schnell unübersichtlich.

Wer sich nicht ausreichend informiert und weiterbildet, übereifrig handelt, oder sich durch den bloßen Hype gezwungen fühlt mitzuziehen, kann schnell einen Fehltritt begehen. In den meisten Fällen ist eine Angst vor dem Wandel aber unbegründet, birgt doch der Stillstand das weitaus höhere Risiko. Diese Unwissenheit verstärkt das Misstrauen gegenüber möglichen Kooperationspartnern und hält das Potential des  Datenaustausches in der der Lieferkette noch zurück.

Die Studie empfiehlt aufgrund der Geschwindigkeit der Digitalisierung Experimentieren und Nachjustieren. Inwieweit können sich - vor allem kleinere Player - das leisten?
Man kann nicht davon ausgehen, dass KMU große Summen in eigene IT-Kapazitäten investieren werden. Strenggenommen bedarf es heutzutage aber auch keiner großen Investitionen in Rechenleistung und Speicherkapazitäten, da Clouds kostengünstige Kapazitäten bieten. Erste kleine Pilotprojekte können auf Basis von firmeninternen Projektgruppen entstehen. In multidisziplinär besetzten Kreisen kann der Austausch von Fachwissen und digitalem Know-how zu einer zügigen Umsetzung neuer Ideen führen. Digitalisierung bedeutet, sich auch von konventionellen top-down Entscheidungsprozessen zu verabschieden und weitere Mitarbeiter einzubeziehen.

Darüber hinaus verspricht eine enger Verbindung von Logistikdienstleistern und Startups einen großen Mehrwert, auch wenn dieses Verhältnis noch durch zu viel Respekt und Misstrauen geprägt ist. Einige der jungen Unternehmen werden in Zukunft möglicherweise zu direkten Wettbewerbern der Speditionen heranreifen. Nichtsdestotrotz birgt die Verknüpfung von logistischem Fachwissen mit digitalen Kapazitäten und jungem Unternehmergeist ein riesiges Potential für den Logistiksektor. Hier sieht sich auch der DSLV in Zukunft in einer entscheidenden Rolle, das entsprechende Forum für einen solchen Austausch zu sein.

Hohe Zuwächse erwartet die Untersuchung bei fahrerlosen Transportsystemen. Welche Änderung an rechtlichen Rahmenbedingungen braucht die Logistikbranche für die digitale Zukunft?
Die rechtliche Annäherung automatisierter Fahrsysteme in personengeführten Fahrzeugen ist bereits ein erster großer Schritt in Richtung fahrerloser Transportsysteme auf deutschen Straßen. Am dringlichsten zu klären sind Haftungsfragen. Aufgrund des internationalen Charakters der Logistik wird es nicht nur an der bundesweiten, sondern noch mehr an einer lückenlosen europäischen Regelung zu autonomen Fahrsystemen liegen, wie schnell sich die Technologie durchsetzt. Für die Logistik wird nicht nur der rechtliche Rahmen der Automatisierung des Gütertransports von Bedeutung sein, sondern auch die sozialen Auswirkungen durch die Automatisierung auf logistische Prozesse wie Lagerung, Sortierung und Kommissionierung. Der zunehmende Einsatz autonomer Systeme wird viele Arbeitsfelder betreffen und stellt eine gesamtgesellschaftliche Frage. Auf kurze Sicht fehlt es weiterhin in vielen Berufsgruppen an IT-Fachwissen. Hier müssen bei der Ausbildung die richtigen Weichen gestellt werden, um auch weiterhin auf der Entwicklerseite zu bleiben.

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