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Scheitern flexible Stromtarife?

Warum in den Privathaushalten der Kostenvorteil beschränkt ist

Harald Uphoff, kommissarischer Geschäftsführer des  Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE) Quelle: Marc Darchinger Harald Uphoff kommissarischer Geschäftsführer Bundesverband Erneuerbare Energie 24.03.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Ob sich flexible Tarife auch bei Privathaushalten durchsetzen ist fraglich, da deren Reaktionsfähigkeit und damit der Kostenvorteil beschränkt sind", sagt Harald Uphoff vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). In Sachen Energiewende und Einsatz von Smart Metern sieht er noch Handlungsbedarf.







Die Deutschen befürworten flexible Stromtarife nach dem jeweiligen Energie-Angebot – viele um Kosten zu sparen. Inwieweit sind flexible Tarife auch günstiger?
Die Reaktion der Stromnachfrage auf das Angebot aus Erneuerbaren Energie ist eine wichtige Aufgabe im künftigen Energiesystem. Flexible Stromtarife können hier für gewerbliche und industrielle Verbraucher ein interessanter Anwendungsfall werden. Ob sich flexible Tarife auch bei Privathaushalten durchsetzen ist fraglich, da deren Reaktionsfähigkeit und damit der Kostenvorteil beschränkt sind. Steuerbare Verbraucher, wie zum Beispiel ein Hausspeicher, die Wärmepumpe oder der Ladevorgang eines Elektrofahrzeugs, über einen Dienstleister vermarkten zu lassen, erscheint effizienter. Der Vorteil für den Nutzer: Der Dienstleister kümmert sich um den optimalen Betrieb, behält dabei zum Beispiel Wetter- und Strompreisprognosen im Blick. Der Nutzer bekommt möglicherweise über eine Flatrate sogar eine Preisgarantie.

Eine überwältigende Mehrheit begrüßt den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2050. Was bedeutet der Komplettumstieg für die Energieproduktion und die Netze?
Die Energiewende ist ein transformativer Prozess, der uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellen wird. Vorgezeichnet sind das Ziel und die großen Eckpunkte des Weges, so wie sie sich aus der heutigen Perspektive ableiten lassen. Es wird Abschnitte geben, die wir mit entsprechender Strategie sehr gut meistern, wie etwa die Abschaltung der Atomkraftwerke, oder auch die Anforderung, elektrische Energie kurzfristig zu speichern. Es wird aber auch Abschnitte geben, für die wir uns noch besser vorbereiten müssen. Diese sollten bald in Angriff genommen werden, damit nicht unnötig Zeit verloren geht. Zum Beispiel wird für die Nutzung von Strom im Wärme- und Mobilitätssektor Bedarf entstehen, den wir mit den aktuell beschränkten Ausbauraten nicht bedienen können. Hierfür benötigen wir größere Ausbaukorridore für Windkraft, Photovoltaik und Bioenergie.

Bei einem Wechsel der Stromanbieter beklagen 43 % der Befragten, dieser sei zu kompliziert. Was kann man dagegen tun?
Der Wechsel des Stromanbieters ist ein weitgehend standardisierter Prozess, der als eine der ersten Smart Meter-Anwendungen in Zukunft vollständig digitalisiert wird. Aus einem bestehenden Vertrag zu einem  neuen Stromanbieter zu wechseln, erfordert heute in den meisten Fällen nicht mehr als ein Telefonat oder es lässt sich online bewerkstelligen. Vergleichsportale helfen bei der Auswahl von neuen Stromanbietern. Was problematisch ist, ist die sogenannte Stromkennzeichnung, die Darstellung der Anteile an konventionellen und erneuerbaren Energien in einem Stromtarif. Vereinfacht gesagt, dürfen heute Anbieter den eigenen Strommix mit dem Erneuerbare Energien-Anteil in Deutschland verrechnen. Dies führt dazu, dass manche Tarife grüner erscheinen als sie tatsächlich sind. Die Stromkennzeichnung sollte transparenter den tatsächlichen Erzeugungsmix eines Stromtarifs darstellen und muss überarbeitet werden.

Viele Befragte sorgen sich bei Smart Metern um die Sicherheit – über die Hälfte befürchtet Hackerangriffe, knapp ein Drittel sieht Datenschutz-Probleme. Wie lässt sich der Missbrauch der digitalen Infrastruktur verhindern?
Bei der Ausgestaltung des beschlossenen und in Kürze stattfindenden Rollouts von Smart Metern spielten die Themen Datensicherheit und der Schutz vor Angriffen eine wichtige Rolle. Letztlich sind auch Smart Meter nicht völlig sicher, aber immerhin müssen die sogenannten intelligenten Messsysteme deutlich höhere Standards erfüllen als digitale Anwendungen, die wir heute nutzen. Es ist weitgehend klar geregelt, wer, wann, welche Daten erhalten darf. Daten werden vor dem Versand an Dritte im sog. kryptographischen Modul des Smart Meters verschlüsselt. Es werden auch nicht sekundengenaue Profile des Verbrauchs übermittelt, sondern z. B. 15-Minuten-Ersatzwerte gebildet. Rückschlüsse auf das Verbrauchsverhalten lassen sich allerdings durchaus noch ziehen. So ist etwa auch zu erkennen, ob jemand im Urlaub ist oder nicht, aber das teilen viele der Welt auch freiwillig per Smartphone mit.

Kritikpunkt des BEE am Smart Meter-Rollout war und ist, dass auch private Haushalte nun schrittweise zum Einbau von intelligenten Stromzählern verpflichtet werden, obwohl für einen Großteil dieser Haushalte kein oder ein zu geringer Nutzen den zusätzlichen Kosten gegenübersteht. Auch die Kosten für kleine Photovoltaikanlagen wurden unnötig verteuert. Die Politik hatte im Schnellverfahren Smart Meter per Gesetz verordnet, bevor die technischen Möglichkeiten ausreichend entwickelt, geprüft und für geeignet befunden wurden. Darunter leidet nun die Umsetzung.

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