Die Deutsche Bahn hat ankündigt, 1 Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte zu investieren, um ihre Markführerschaft auf den digitalen Mobilitätsmarkt auszubauen. Wie bewerten Sie aus kartellrechtlicher Sicht die Pläne?
Nach den uns vorliegenden Informationen soll der DB AG ca. eine Milliarde Euro in Form einer Kapitalerhöhung zu Gute kommen. Darüber hinaus will der Bund nach diesen Informationen auf Teile der geplanten Dividendenzahlungen der DB AG verzichten. Das auf diese Weise zur Verfügung gestellte Kapital soll die DB AG dem Vernehmen nach investieren. Investitionsankündigungen eines Unternehmens – egal ob es sich um ein großes oder ein kleineres Unternehmen handelt – sind für sich genommen kartellrechtlich unbedenklich. Es ist aus wettbewerblicher Sicht zunächst einmal positiv zu bewerten, wenn ein Unternehmen sein Tätigkeitsfeld ausdehnen möchte. Auch ein marktstarkes Unternehmen oder gar ein Monopolist darf selbstverständlich investieren. Ordnungspolitisch wäre es zu begrüßen, auf eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung bei der Zweckbindung einer solchen „Kapitalspritze“ zu achten, insbesondere wenn sie letztlich aus Steuermitteln bestritten wird. Dies ist am ehesten sichergestellt, wenn die Deutsche Bahn AG in die Infrastruktur investiert, die allen schienengebundenen Verkehrsanbietern zugänglich ist.
Wann würde ggf. das Bundeskartellamt gegen die Pläne der Deutschen Bahn einschreiten? Wann lägen ggf. überhaupt Kartellverstöße vor?
Die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt setzen sich fortlaufend dafür ein, die Wettbewerbsbedingungen auf der Schiene zu verbessern. So kommt das Kartellrecht ins Spiel, wenn etwa Hinweise auf verbotene Absprachen oder den Missbrauch von Marktmacht vorliegen. Erst Mitte dieses Jahres haben wir ein Verfahren gegen die Deutsche Bahn AG abgeschlossen. Ausgelöst durch unsere Ermittlungen, hat die DB Veränderungen im Ticketvertrieb vorgenommen, die dazu führen, dass es Wettbewerber nun leichter haben, ihre Tickets zu verkaufen. Außerdem müssten etwaige Übernahmen von anderen Unternehmen bei den Wettbewerbsbehörden zur Prüfung angemeldet werden.
Wettbewerb bedeutet, dass verschiedene Unternehmen um die Gunst ihrer Abnehmer konkurrieren. Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang den deutschen Mobilitätsmarkt grundsätzlich ein?
Natürlich ist die DB nach wie vor mit großem Abstand Marktführer auf den schienengebundenen Märkten. Man kann aber auch feststellen, dass es heute deutlich mehr Wettbewerb gibt als etwa noch vor zehn Jahren. Maßgebliche Gründe hierfür sind die Weiterentwicklung der Ausschreibungspraxis der Aufgabenträger, die den Wettbewerbsbahnen Chancen im Schienenpersonennahverkehr eingeräumt habe , die Liberalisierung des Fernbusmarktes mit den bekannten schnellen Ausbau eines Fernbuslinienverkehrs in Deutschland, aber auch die Aktivitäten der Kartell- und Regulierungsbehörden, beispielsweise das gerade erwähnte Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamtes. Der rasante Erfolg der Fernbusanbieter bei den Endkunden zeigt den Kundenbedarf für dieses Verkehrsangebot. Die starke Konsolidierung und Konzentration in der Fernbus-Branche erfordert allerdings künftig eine genaue Beobachtung der weiteren Entwicklung.