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DRadio setzt Autoindustrie unter Druck

Aufpreispolitik ist Gift für schnelle Marktdurchdringung von DAB+

Dr. Willi Steul, Intendant Deutschlandradio Quelle: Deutschlandradio Dr. Willi Steul Intendant Deutschlandradio 20.01.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Im Moment verdienen die Autobauer an DAB+ als Sonderausstattung gutes Geld. Doch für eine schnelle Marktdurchdringung von Digitalradio DAB+ ist diese Geschäftspolitik Gift, kritisiert Deutschlandradio-Intendant Dr. Willi Steul. "Was wir hier brauchen sind regulatorische Rahmenbedingungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wie schnell dann alles gehen kann, zeige die vorbildhafte Entwicklung in Norwegen.







In Norwegen werden erste UKW-Sendernetze tatsächlich abgeschaltet. Was bedeutet das für DAB+ hierzulande und in Europa?
Zunächst einmal bedeutet der Schritt Norwegens das Ende eines Mythos: Nichts hält für ewig, und auch die „heilige Kuh“ UKW ist endlich. Norwegen hat Mut bewiesen und gezeigt, dass eine Migration von analoger UKW- auf digitale DAB+ Übertragung nicht nur möglich ist, sondern von den Hörern auch akzeptiert wird. Im Oktober 2016 hörten bereits 64 Prozent der Norweger täglich Radioprogramme über DAB und DAB+, mehr als 70 Prozent der Haushalte verfügen über mindestens einen DAB+ Empfänger. Über 99,5 Prozent der Fläche des skandinavischen Landes sind im Januar 2017 technisch durch DAB+ mit digitalem Radio versorgt.
Diese Zahlen können anderen Ländern, die bislang bei der Digitalisierung zögerlich sind, nur Mut machen: Die Befürchtungen Hörer könnten den Schritt von UKW zu DAB+ nicht mitgehen und beispielsweise als Alternative zu Streaming-Diensten ins Internet wechseln, sind absolut unbegründet. Die meisten Norweger haben sich neue Hardware fürs Radio besorgt. Bei Einstiegspreisen von knapp über 20 Euro für ein DAB+ fähiges Digitalradio kann man ja auch nicht mehr von einem Luxusprodukt sprechen. Die Hörer schätzen auch den deutlichen Mehrwert durch neue Angebote: Nehmen wir doch als Beispiel die Stadt Bodø, in der die ersten UKW-Anlagen vom Netz gingen. Hier waren bisher nur rund zehn Programme auf UKW zu hören. Auf DAB+ sind es über 30.

Im April 2015 war die Abschaltung angekündigt worden. Ist die Frist von reichlich anderthalb Jahren auch für andere Länder ein denkbares Vorbild?
Der Zeitraum zur Vorbereitung der UKW-Abschaltung in Norwegen war viel länger. Bereits gut zehn Jahre zuvor hatte die norwegische Regierung die Eckdaten zum UKW-Ausstieg formuliert. Demnach sollten mehr als 50 Prozent der Norweger ein DAB+ fähiges Digitalradio besitzen und täglich Radioprogramme über DAB und DAB+ hören, sowie 99,5 Prozent der Bevölkerung technisch durch DAB+ mit digitalem Radio versorgt sein. Nachdem diese Eckpunkte 2015 erfüllt waren, konnte die Regierung den UKW-Ausstieg verkünden.
Insgesamt gab es also einen Vorlaufzeitraum von über zehn Jahren. Das ist auch erforderlich, um eine Migration hin zum digital-terrestrischen Hörfunk erfolgreich und ohne Druck durchführen zu können. Norwegen liefert mit dieser Vorgehensweise bereits Vorbild für andere Länder: Auch in der Schweiz, der Niederlande, Belgien und Großbritannien wird der UKW-Ausstieg derzeit vorbereitet.

Nach jüngsten Angaben hören 64 Prozent der Norweger täglich Radio über DAB+ - schon vor der UKW-Abschaltung. Wie lassen sich ähnliche Reichweiten hierzulande erzielen?
Das ist nur möglich, wenn alle Marktakteure – öffentlich-rechtliche und private Sender, Netzbetreiber, Gerätehersteller und die Politik - Hand in Hand zusammenarbeiten. In Deutschland sind wir hier noch nicht soweit. Es gibt immer noch vor allem kommerzielle Programmanbieter, die stur am Geschäftsmodell der UKW-Verbreitung festhalten wollen oder die Zukunft des Hörfunks eher im Internet sehen. Es gibt auch in der Politik Differenzen beim Thema Digitalisierung des Hörfunks. Bund und Länder müssen 2017 verstärkt zusammenarbeiten, damit nach der erfolgreichen Einführungsphase nun auch die Eckpunkte für eine Migration von UKW hin zum Standard DAB+ festgelegt werden können.
Nichts desto trotz erleben wir beim Thema DAB+ auch in Deutschland ein gutes Wachstum. Knapp 14% der Bevölkerung hört DAB+ regelmäßig, das sind fast zehn Millionen Menschen(9,53 Mio. Personen ab 14 Jahren) und damit 2,1 Millionen mehr als im Vorjahr. Ein Bekenntnis aller Marktakteure zu DAB+ und eine Roadmap zum Umstieg von UKW auf DAB+ können diese erfreulichen Zuwächse noch deutlich verstärken.

Als größtes Problem wird nach Presseberichten die Ausstattung von Autos gesehen. Selbst neuere Modelle verfügen serienmäßig noch nicht über DAB+ Empfänger. Was muss da passieren?
Im Moment verdienen Autobauer an DAB+ als Sonderausstattung gutes Geld. Für eine schnelle Marktdurchdringung von Digitalradio DAB+ ist diese Geschäftspolitik aber eher Gift. Aktuell sind erst 14% der Neuwagen mit DAB+ Empfang ausgestattet. Ein DAB+ Chip kostet im Schnitt 7 Euro, dazu kommt noch der Preis der Antenne. Vor diesem Hintergrund ist es einfach unverständlich, wenn Autobauer mehrere hundert Euro Aufpreis für den digitalen Radioempfang als Sonderausstattung verlangen.
Was wir hier brauchen sind regulatorische Rahmenbedingungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. So setzt sich der Bundesrat dafür ein, dass im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur TKG-Novelle eine Verpflichtung für Gerätehersteller aufgenommen werden soll, zukünftig alle neuen Radiogeräte auch mit DAB+ Empfangsmöglichkeit auszustatten (sog. Interoperabilitätsverpflichtung). Das würde Autoradios mit einschließen. Damit wären auch die Automobilhersteller gezwungen, DAB+ ab Werk und ohne Aufpreis anzubieten.

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