E-Autos sollen demnächst über Außenlautsprecher Geräusche abgeben – ein Gewinn an Sicherheit oder ein Verlust für die Umwelt?
Akustisch wahrnehmbare Elektroautos sind insbesondere in „gemischten“ Straßenräumen, in denen es keine Trennung von Fußgänger-, Radwegen und Fahrbahnen für motorisierte Kfz gibt, ein Gewinn an Sicherheit. Und sie sind gleichermaßen ein Gewinn für die Umwelt. Die leisen Elektro- und Hybridfahrzeuge frühzeitig wahrzunehmen, fällt anderen Verkehrsteilnehmern, vor allem aber Fußgängern und Radfahrern, aufgrund des fehlenden Geräusches schwer. Das Risikopotential wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass immer mehr Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer) durch Handynutzung etc. abgelenkt sind. Aber es besteht auch ein Gewinn für die Umwelt. Vor allem, wenn der Strom für die Elektro- und Hybridautos auf der Basis von erneuerbaren Energien erzeugt wird, leisten diese Fahrzeuge - selbst wenn von ihnen künstliche Geräusche ausgehen - einen wesentlichen Beitrag zur emissionsarmen Mobilität. Zudem ist das Geräusch nur verpflichtend beim Rückwärtsfahren und bei Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h. Bei Geschwindigkeiten über 20 km/h sind Abroll- und Windgeräusche wie bei allen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ausreichend, um wahrgenommen zu werden.
Damit auch ältere und Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit sie hören, sollen die Geräusche in Frequenzen abgegeben werden, die besonders gut wahrnehmbar sind – die dadurch aber auch besonders aufdringlich klingen. Wie bewerten Sie das?
Die Frequenz eines Tones entscheidet weniger darüber, ob er als aufdringlich wahrgenommen wird, als die Lautstärke. Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit durch extra laute Warntöne aufzuschrecken, halte ich nicht für zielführend. Vielmehr sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass bei diesen Menschen andere Sinnesorgane häufig überdurchschnittlich gut ausgebildet sind. So reagieren sie auf bestimmte Frequenzen meist sensibler, als andere. Die europäische Verordnung zu Geräuschpegeln von Kraftfahrzeugen aus 2014 sieht vor, dass der vom sog. „Akustischen-Fahrzeug-Warnsystem“ (AVAS) erzeugte Geräuschpegel den ungefähren Geräuschpegel eines ähnlichen Fahrzeugs der entsprechenden Klasse, das mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet ist und unter gleichen Bedingungen betrieben wird, nicht überschreitet. Durch diese Regelung kann davon ausgegangen werden, dass es gerade nicht dazu kommen wird, dass das künstlich hergestellte akustische Signal bei Fahrzeugen mit Elektrobetrieb störender sein wird, als das bei den Kfz mit herkömmlichem Verbrennungsmotor.
Derzeit sind E-Auto vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten beinahe lautlos – sollten im Falle eines Falles bereits zugelassene Autos nachgerüstet werden?
Ich halte nichts von einer Nachrüstung. Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis. Deshalb beziehen sich die bestehenden Vorschriften ausschließlich auf Neufahrzeuge bzw. neue Fahrzeugtypen. Allein die Tatsache, dass vorgeschrieben wird, dass es Fahrern möglich sein muss, das Akustische- Fahrzeug-Warnsysteme (AVAS) mit einem leicht erreichbaren Schalter zu deaktivieren, spricht auch gegen eine Nachrüstung. Dieses AVAS ist so vielseitig beschränkt, dass eine Nachrüstung bei bereits zugelassenen Autos nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch wenig Sinn ergibt.
Messungen haben ergeben, dass bestimmte Benzin-Autos ebenfalls sehr leise sind – wie sollen solche Wagen behandelt werden?
Solange der Geräuschpegel zwischen dem oberen und unteren Grenzwert der EU- bzw. VN-Normen liegt, ist es egal, ob es sich um ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor oder eines mit Elektroantrieb handelt. Die Regelungen, die auf europäischer Ebene getroffen wurden, beziehen sich auf die zulässigen Geräuschpegel aller Pkws. Die Vorschriften zum Akustischen- Fahrzeug-Warnsystem beziehen sich allerdings nur auf Hybridelektro- und reine Elektrofahrzeuge. Es ist meines Erachtens eher abwegig, künstliche Geräusche auch noch zusätzlich bei Benzin-Autos zu verlangen. Um die Straßenverkehrssicherheit nachhaltig zu erhöhen, sollten wir uns nicht so sehr auf lärmerzeugende Maßnahmen konzentrieren, als vielmehr auf effiziente Fahrerassistenzsysteme. Diese führen bei allen Kfz, egal ob elektrisch angetrieben oder nicht, zu einer erhöhten aktiven Sicherheit. Automatische Notbremsassistenten erkennen z.B. ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger und geben dem Fahrer nicht nur ein Warnsignal, sofern dieser sie übersieht, sie leiten sogar eine (Voll)bremsung ein.