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Der Verbraucher verliert unter dem Strich

Warum die EU-Pauschalreiserichtlinie aber besser ist als ihr Ruf

Prof. Dr. Klaus Tonner, Uni Rostock Quelle: Roswitha Heisenberg Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 12.07.2017

Die Nachteile des neuen Pauschalreiserechts liegen für den Experten Prof. Dr. Klaus Tonner von der Uni Rostock zumindest in Teilen am deutschen Umsetzungsgesetzgeber. Die EU-Richtlinie hätte "die Beibehaltung des bisherigen deutschen Verbraucherschutzniveaus erlaubt".







Der Bundestag hat neue Regeln für Pauschalreisen beschlossen. Was ändert sich für den Urlauber?
Positiv: Der Urlauber muss nicht mehr innerhalb eines Monats nach Reiseende reklamieren, wenn er einen Teil des Reisepreises zurückverlangen will, sondern kann sich damit jetzt zwei Jahre Zeit lassen. Allerdings muss er einen Mangel nach wie vor gleich vor Ort anzeigen.

Negativ: Der Urlaub in einer Ferienwohnung oder in einem Ferienhaus fällt entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr unter den Schutz des Pauschalreiserechts. Das Gleiche gilt für Tagesreisen, wenn sie weniger als 500 EUR kosten.

Einzelne Regeln stärken Verbraucherrechte gegenüber dem bisherigen deutschen Recht, andere nicht. Gewinnt der Verbraucher unter dem Strich?
Der Verbraucher verliert unter dem Strich. Die Ferienhäuser und den größten Teil der Tagesreisen aus dem Anwendungsbereich des Pauschalreiserechts herauszunehmen, war eine Entscheidung des deutschen Umsetzungsgesetzgebers. Sie wäre nicht nötig gewesen, da die EU-Richtlinie die Beibehaltung des bisherigen deutschen Verbraucherschutzniveaus erlaubt hätte.

Inhaber von Reisebüros befürchten durch die neuen Regeln Nachteile – berechtigterweise?
Der Unionsgesetzgeber hatte vornehmlich den Online-Vertrieb im Auge, hat aber gleichwohl eine einheitliche Regelung für den Online-Vertrieb und den stationären Vertrieb geschaffen. Für die stationären Reisebüros entsteht ein Schulungsaufwand, um die Mitarbeiter auf die neuen Regeln einzustellen. Sie müssen z.B. darauf achten, jeweils die richtigen Informationsblätter auszuhändigen und Einzelrechnungen über die einzelnen verkauften Leistungen zu erstellen, wenn sie nicht zum Veranstalter werden wollen. Wenn sie zusammenpassende Einzelleistungen verkaufen und das Inkasso betreiben, brauchen sie eine Insolvenzabsicherung für die Kundengelder. Für eine Online-Plattform ist dies alles leichter umzusetzen. Gleichwohl bedeuten die neuen Regeln nicht den wirtschaftlichen Ruin für den stationären Vertrieb.

Die EU-Richtlinie sieht eine Evaluierungsphase vor. Welche Regeln brauchen Reisende und Anbieter für die Zukunft?
Online-Plattformen werden eine immer bedeutendere Rolle spielen. Wenn sie ihre Marke in den Vordergrund rücken und dafür das Vertrauen der Kunden in Anspruch nehmen, sollten sie auch haften und sich nicht durch eine Vermittlerrolle der Haftung entziehen können. Der stationäre Vertrieb hat nur dann eine Überlebenschance, wenn er sich durch besondere maßgeschneiderte Beratungsleistungen auszeichnet, für die er dann ebenfalls haften sollte. Wenn die stationären Reisebüros ihr Heil in einer reinen Vermittlerrolle suchen, werden ihnen langfristig die Kunden weglaufen. Die Richtlinie musste daher eine Abgrenzung zwischen Vermittlung und Veranstalterhaftung finden, die die Flucht in die Vermittlerrolle versperrt, wenn tatsächlich eine komplette Reise verkauft wird. Man wird die Abgrenzung bei einer Evaluation zwar nachjustieren können und müssen, im Prinzip ist die Richtlinie aber besser als ihr Ruf.

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