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Digitale Medien wirken nur mit didaktischem Konzept

Warum die Schulen Technik und IT-Personal brauchen - aber nicht nur

Prof. Dr. Tina Seidel, Technische Universität München Quelle: Astrid Eckert/ TU München Prof. Dr. Tina Seidel Wissenschaftlerin Technische Universität München 01.11.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Da Unterrichten ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren darstellt, zögern Lehrpersonen häufig, dabei gravierende Änderungen vorzunehmen", sagt Prof. Dr. Tina Seidel von der TU München. Digitale Medien allein helfen ohnehin nicht. Immerhin weiß die Forscherin aus zahlreichen Studien über digitale Lernmedien: "Sie schaden zumindest auch nicht."







Bei den Lehrern herrscht große Skepsis gegenüber digitalen Lehrmedien, so glaubt nicht mal jeder vierte Lehrer daran, dass digitale Medien dabei helfen, den Lernerfolg ihrer Schüler zu verbessern. Woher kommt diese Skepsis?
Woher diese Skepsis kommt, ist meines Erachtens noch wenig empirisch erforscht. Was man weiß ist, dass viele Lehrpersonen selbst wenig Erfahrung im Einsatz mit digitalen Medien im Unterricht und in der Schule haben. Da Unterrichten ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren darstellt, zögern Lehrpersonen häufig, dabei gravierende Änderungen vorzunehmen. Aus dem Grund ist es ja so schwierig, Unterrichtsveränderungen nachhaltig im Schulalltag zu implementieren.

Bisherige Studien zeigen aber bislang auch, dass digitale Medien – wie alle anderen Medien auch – nur im Zusammenspiel mit einem passenden didaktischen Konzept Wirkung entfalten können. Ohne dieses Zusammenspiel ist der Einsatz digitaler Medien nicht effektiver als andere „herkömmliche“ Medien und Unterrichtsansätze auch. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass digitale Medien offensichtlich keine negativen Effekte verursachen. In der Hinsicht könnte man Lehrpersonen beruhigen: Sie schaden zumindest auch nicht.

Wichtig wäre allerdings, dass das bisherige Wissen um die Wirksamkeit digitaler Medien auch verbreitet wird. Dazu empfehle ich aktuell die Internetseiten des Clearing House Unterricht, auf denen unter anderem auch aktuelle Meta-Analysen zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien für Lehrende zusammengefasst sind (www.clearinghouse-unterricht.de)

Der Bildungsmonitor fordert Ausbildung an digitalen Medien als Lehr- und Lernmittel verpflichtend im Lehramtsstudium. Wie sehen Sie das?
Ich halte das für eine sehr wichtige Forderung. Lehramtsstudierende müssen mit digitalen Medien in zweierlei Form vertraut werden. Erstens müssen sie in ihren Lehrveranstaltungen an den Hochschulen selbst erleben, wie Dozierende fachlich versiert digitale Medien in ihrer Hochschullehre nutzen. Zweitens müssen sie selbst im Einsatz digitaler Medien ausgebildet werden.

Dazu gehören für mich zwei Punkte: Sie müssen sich selbst in verschiedenen praxisorientierten Situationen im Einsatz digitaler Medien ausprobieren können und sie müssen dies aber vor dem Hintergrund des derzeitigen Forschungsstands tun. Das Wissen um den Einsatz digitaler Medien kann so helfen, solche Einsatzszenarien zu planen und gezielt darüber zu reflektieren.

Dies wäre für mich eine ideale Kombination von Evidenzbasierung und Kompetenzorientierung im Lehramtsstudium.

Einen Punkt möchte ich aber noch zu bedenken geben: Die Ausbildung der Studierenden endet ja nicht mit dem Abschluss des Studiums, sondern wird besonders relevant, wenn sie im Referendariat sind. Auch hier muss der Einsatz digitaler Medien intensiv umgesetzt und erprobt werden – und es ist auch zu überlegen, ob diese Aspekte nicht auch Bestandteil der weiteren Prüfungen werden müssten.

Die Hälfte aller Lehrer ist unzufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Was muss die Politik tun?
Das kann ich verstehen. Hier ist von Seiten der Politik einiges zu tun. Würde man Schulhäuser mit anderen Organisationen und Institutionen vergleichen, dann tut sich hier eine große Lücke auf. Das beginnt mit funktionierenden WLAN-Netzen im gesamten Schulhaus, ID Managementsystemen, Cloud-Lösungen für den Austausch von Informationen innerhalb des Lehrerkollegiums, aber auch im Austausch mit Schülern und Eltern etc. Hier gilt es eine Menge an rechtlichen und IT-spezifischen Fragen zu klären. Die Schulen darf man damit nicht allein lassen. Es wäre sehr wichtig, dass hier von politischer Seite Unterstützung in einheitlichen rechtlichen Regelungen und IT-Paketlösungen unter Berücksichtigung der individuellen Schulsituation bereitstehen. Darüber hinaus brauchen Schulen zusätzliches Personal im IT-Bereich sowie in der Medienpädagogik.

Der Bildungsmonitor fordert ein gemeinsames Gütesiegel und eine deutschlandweit zugängliche Plattform für digitale Lernmaterialien. Wieviel Bildungsföderalismus ist angesichts einer vernetzten Welt noch sinnvoll?
Die Veränderungen in der Gesellschaft im Zuge der Digitalisierung sind enorm. Der Bildungsbereich steht derzeit vor der großen Herausforderung, diese Entwicklungen konsequent zu berücksichtigen, sich aber auch nicht davonspülen zu lassen. Ich glaube, wir brauchen eine gemeinsame Debatte, wie Schulen dazu beitragen können, dass unsere Kinder souverän mit digitalen Medien umgehen können. Der Austausch von Lernmaterialien durch Plattformen kann eine hilfreiche Unterstützung sein.

Aber die Bereitstellung digitaler Lernmaterialien wird an sich kein Selbstläufer sein, genauso wenig wie andere Materialien auch: Sie müssen didaktisch sinnvoll eingebettet sein. Und dazu braucht es Professionalisierung und Fortbildung im Kollegium der Schulen. Diese Lernmaterialen können eine wichtige Grundlage sein, gemeinsam in den Fachkollegien und unter den Jahrgangsstufenlehrkräften zu überlegen, wie diese Materialien sinnvoll in welchen Kontexten und Themen eingesetzt werden können. So muss nicht jede Lehrkraft alles neu erfinden. Aber der zweite Schritt ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.

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