Die Bundesregierung hat angekündigt, die Technologie Oberleitungsgetriebener LKW zu unterstützen. Was halten Sie von den Planungen?
Der BGL steht dem Feldversuch mit zwei Teststrecken in Schleswig-Holstein und Hessen positiv gegenüber. Wenn man die Vorgaben des Klimaschutzplanes der Bundesregierung auch nur ansatzweise ernst nimmt, kommt man an einer Elektrifizierung des Straßenverkehrs nicht vorbei. Der Oberleitungs-Lkw nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein, schließlich wird sein Wirkungsgrad von bis zu 85 % von keiner anderen zur Verfügung stehenden Technologie auch nur annähernd erreicht.
Wie ist Ihre Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit des Ausbaus der Autobahnen mit Oberleitungen?
Trotz der o.g. Vorteile dieser Technik: Grundsätzlich kann das Thema Oberleitungs-Lkw – und insbesondere der Aspekt der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen Technologien – vor Beendigung und Auswertung des Feldversuches derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. In diesem Feldversuch muss der Oberleitungs-Lkw seine Alltagstauglichkeit unter Beweis stellen. Dass die Technologie unter „Laborbedingungen“ tadellos funktioniert, wird auf der Teststrecke bei Groß-Dölln schon seit Längerem eindrucksvoll demonstriert. Allerdings ist es ein Unterschied, ob ein Lkw einmal unter einem Fahrdraht hindurchfährt, oder Dutzende Lkw ununterbrochen.
Wie bewerten Sie als Bundesverband für den Güterkraftverkehr den Warentransport durch Oberleitungs-LKW? Entsteht mit dem O-LKW eine ernstzunehmende Konkurrenz für den Schienengüterverkehr?
Aktuell werden 71 % der Güterverkehrsleistung in Deutschland mit dem Lkw erbracht und 17 % mit der Bahn. Wir erwarten keine Verlagerungseffekte, lediglich eine Umgestaltung bestehender Straßengüterverkehre.
Wie setzen Sie sich als maßgeblicher Interessenverband für einen sicheren und umweltfreundlichen Güterverkehr der Zukunft ein?
Dem UBA-Text 56/2016 „Klimaschutzbeitrag des Verkehrs bis 2050“ ist zu entnehmen, dass selbst bei – aus Eisenbahnsicht – idealtypischen Bedingungen im Jahre 2050 noch immer knapp 60 % (aktuell sind es gut 70 %) der Güterverkehrsleistung auf der Straße stattfinden werden. Um die Klimaziele der Bundesregierung einzuhalten, wird in jedem Fall eine mittelfristige Abkehr von fossilen Kraftstoffen erforderlich sein. Flüssiggasantriebe gelten deshalb bereits heute schon allenfalls als Zwischenlösung. Langfristig werden aufgrund der Ressourcenknappheit von Energie und Strom voraussichtlich Elektroantriebe vorzugsweise mit direkter Stromverwertung – also ohne zwischengeschaltete Umwandlung z. B. in Wasserstoff – überzeugen. Der Oberleitungs-Lkw, der mit einem Wirkungsgrad von bis zu 85 % weit vor allen anderen Strom-Technologien rangiert, könnte so gesehen schon bald zum Alltag dazugehören. Doch auch beim Elektroantrieb gilt: Keine Rose ohne Dornen! Gemäß der o. g. UBA-Studie führt eine umfassende Elektrifizierung des Verkehrssektors fast zu einer Verdoppelung des gesamtwirtschaftlichen Stromverbrauchs gegenüber bisherigen Verbrauchsszenarien. D. h. Deutschland wird im Jahre 2050 mehr als die Hälfte seines Strombedarfs importieren müssen. Die Stromproduktion in den meisten deutschen Nachbarstaaten wird aber noch auf lange Sicht hin von Atomkraft und fossilen Energieträgern dominiert sein. Insofern werden die verfolgten CO2-Minderungsziele nur mit emissionsfreier Elektroenergie zu erreichen sein. Ob diese in ausreichender Menge zur Verfügung steht – und zu welchem ökologischen „Preis“ – ist fraglich.
Im Übrigen gründete der BGL (damals noch BDF) im Jahre 1969 gemeinsam mit der Deutschen Bundesbahn den größten Operator Europas im kombinierten Verkehr Straße/Schiene: Die Kombiverkehr GmbH & Co. KG, die rund 1 Mio. Lkw-Sendungen pro Jahr auf die Schiene bringt. Die sog. BDF-Brücken – genormte, kranbare Wechselbehälter, die unter Federführung des BDF entwickelt wurden – sind dabei noch heute das „Maß aller Dinge“. Über die vielfältigen Beiträge des BGL zu einem sichereren Güterverkehr können Sie sich informieren (http://www.bgl-ev.de/web/mensch_umwelt_verkehr/index.htm)
Diesen Weg möchten wir auch zukünftig weitergestalten und sehen im Mix der Verkehrsträger die beste Lösung für die Zukunft.