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Erwachsene dürfen Spielmechanismen nicht bemerken

Wie motivierend welche Game-Elemente bei wem wirken

Prof. Dr. Sonja Ganguin, Professur für Medienkompetenz- und Aneignungsforschung, Direktorin des Zentrums für Medien und Kommunikation, Uni Leipzig Quelle: Dieter Grundmann Prof. Dr. Sonja Ganguin Direktorin Zentrum für Medien und Kommunikation, Uni Leipzig 21.09.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Grundsätzlich gibt es für motivierenden Spielelemente aus Sicht von Expertin Prof. Dr. Sonja Ganguin von der Uni Leipzig "(noch) kein Rezept bzw. keine verbindlichen Regeln". Für verschiedene Zielgruppen brauche es verschiedene Lösungen.







Gamification soll Arbeiten, Weiterbilden und Studieren durch spielerische Elemente schöner und effizienter machen – für welche Prozesse ist Gamification besonders geeignet?
Unter Gamification verstehe ich die Übertragung von Computerspielelementen und -mechanismen auf spielfremde bzw. nicht-spielerische Kontexte. Ziel ist es, demotivierende oder vor allem extrinsisch motivierte Tätigkeiten so aufzuwerten, dass das Lernen durch den spielerischen Rahmen Spaß machen soll. Dies ist etwas paradox: So handelt es sich häufig um solche Tätigkeiten, die eher aus Pflicht oder Zwang ausgeübt werden und daher dem zweckfreien Spiel entgegenlaufen. In gamifizierten Anwendungen (wie auch bei Serious Games) dient das Spielen bzw. die spielerische oder spielähnliche Handlung also nicht – wie es bei ‚gewöhnlichen‘ Spielen der Fall ist – allein der Unterhaltung, sondern auch dem über diese spielerisch-zweckfreie Betätigung hinausgehenden Zweck, das Handeln der Nutzer bzw. Anwender in bestimmter Weise zu beeinflussen. Dabei ist Gamification grundsätzlich nicht auf bestimmte Einsatzgebiete oder Zwecke beschränkt, sondern begegnet uns im Marketing und in der Bildung ebenso wie in den Bereichen Gesundheit und Medizin. Bezüglich der Effizienz ist es in diesem Zusammenhang notwendig, sich an den Bedürfnissen der Nutzenden zu orientieren und die jeweilige Anwendung an die Zielgruppe anzupassen.

Highscores, Fortschrittsbalken und virtuelle Belohnungen – welche Mechanismen wirken wo besonders gut?
Dies hängt natürlich ebenfalls von der Zielgruppe und dem (Lern-)Ziel des Einsatzes ab. Grundsätzlich gibt es hierfür (noch) kein Rezept bzw. keine verbindlichen Regeln. Feedback bzw. Rückmeldung kann z.B. auf unterschiedliche Arten erfolgen. Zu nennen sind hier z. B. (Erfahrungs-)Punkte, Ranglisten, Bestzeiten, Auszeichnungen etc. Diese dienen als kompetitives Element, indem sie die Motivation durch den Vergleich mit anderen erhöhen. Meine Beobachtung ist dabei, dass dies eher die Motivation von jüngeren Lernenden und eher das Lernen in der Schule fördert. Bezüglich der Zielgruppe von Erwachsenen, z. B. bei der Arbeit oder in der Weiterbildung, zeigen Studien, die ich durchgeführt habe, dass sie in diesen für sie ernsten Kontexten nach Spiel aussehende Dinge eher ablehnend gegenüberstehen. Gamification scheint bei dieser Zielgruppe, vor allem wenn sie in ihrer Freizeit kaum digitale Spiele spielen und wenig spielaffin sind, eher erfolgversprechend, wenn sie das Vorhandensein von Spielmechanismen gar nicht bemerken. Für Erwachsene in formalen Lernsettings sind dann weniger Punkte, Abzeichen etc. wichtig, sondern sanfte Progression, die durch ein stetes Feedback, z. B. durch Fortschrittsanzeigen transparent und unaufdringlich vermittelt wird. Dies sollte dann eher im Vordergrund stehen.

Welche Anforderung stellt Gamification an den Nutzer?
Gamification soll ja die Lern- und Arbeitsmotivation erhöhen, sodass zunächst einmal die Anwendung als solche bestimmte Anforderungen beinhaltet, etwa eine intuitive Bedienung. Dass die Nutzenden neuen Lernszenarios gegenüber offen sind, ist bestimmt eine weitere begünstigende Voraussetzung für den Einsatz wie eine gewisse basale Medienkompetenz. Große Anforderungen sehe ich hier aufseiten der Nutzer allerdings nicht, sondern eher in der didaktischen und inhaltlichen Umsetzung. 

Welche Gefahren können von Gamification hinsichtlich des Themas Spielsucht ausgehen?
Bei Computerspielen bzw. digitalen Spielen ist es so, dass insbesondere die technische Struktur, das aktive Handeln, das einen hohen Aufmerksamkeitsgrad im Spielprozess voraussetzt, sowie die Wahl des eigenen Anforderungsprofils und eine direkte Rückmeldung über die eigenen Spielhandlungen, dazu führen, dass Flow-Prozesse im Spiel initiiert werden. Dies fördert die Selbstwirksamkeit und erzeugt eine hohe intrinsische Motivation. Da es bei Gamification darum geht, nur einzelne Spielelemente in eine nicht-spielerische und oftmals mühselige Tätigkeit zu übertragen, sehe ich hier wenig Suchtpotenzial.

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