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Es darf keinen Kaufzwang für E-Tickets geben

Der öffentliche Verkehr muss für alle Menschen zugänglich sein

Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE Quelle: Fraktion DIE LINKE Sabine Leidig Verkehrspolitische Sprecherin Bundestagsfraktion DIE LINKE. 23.05.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Für die Linken-Expertin Sabine Leidig hatte durchaus eine Ironie, "dass Richard Lutz das Ende des Papiertickets ausgerechnet an dem Wochenende ankündigte, als die Deutsche Bahn AG aufgrund völlig veralteter und nicht aktualisierter Computersysteme selbst gerade Opfer eines Hackerangriffs geworden war". Sie mahnt daher zur Vorsicht bei der Digitalisierung.







Die Deutsche Bahn plant die klassische Fahrkarte in Papierform abzuschaffen, was halten Sie von den Plänen des Bahnkonzerns? Darf ein Monopolist die Digitalisierung erzwingen? Stichwort: was passiert mit älteren, nicht technikaffinen oder Kunden mit kleinem Geldbeutel?
Das Handyticket als eine Möglichkeit, um Bahntickets auch kurzfristig buchen zu können, ist sinnvoll und praktisch. Es darf jedoch keinen Zwang dafür geben. Zum einen würde man damit ältere und weniger technikaffine Menschen ausschließen, zum anderen aber auch solche Menschen, die bewusst auf Handy, Tablet u. ä. verzichten, weil sie nicht ständig erreichbar sein möchten, oder sich ein solches schlichtweg nicht leisten können.

Der öffentliche Verkehr und ganz besonders die Bahn als dessen Rückgrat muss für alle Menschen zugänglich sein, und daher muss es auch unterschiedliche Möglichkeiten zum Erwerb von Tickets ohne zwingende technische Voraussetzungen geben.

Wie ist Ihre Einschätzung in Bezug auf den Datenschutz, wenn Bahnkunden künftig Zugriff auf Ihre persönlichen Daten auf dem Smartphone erlauben müssen?
Wir sehen dabei große Risiken für den Datenschutz. Schon jetzt sammelt die Deutsche Bahn AG über Online- und Handytickets viele Daten, kann damit umfassende Reiseprofile erstellen und hat in der Vergangenheit auch bereits versucht, diese weiterzuverkaufen. Das lehnen wir ab. Ein zusätzliches Risiko ist der Diebstahl von Daten durch Dritte. Es hatte ja durchaus eine Ironie, dass Richard Lutz das Ende des Papiertickets ausgerechnet an dem Wochenende ankündigte, als die Deutsche Bahn AG aufgrund völlig veralteter und nicht aktualisierter Computersysteme selbst gerade Opfer eines Hackerangriffs geworden war.
Es muss deshalb unbedingt der Grundsatz der Datensparsamkeit gelten: Die Bahn darf nur die Daten erheben, die sie für das Ticket tatsächlich benötigt, und muss diese anschließend auch wieder löschen. Eine Weitergabe von Daten an Dritte, besonders zu gewerblichen Zwecken, muss ausgeschlossen werden.

Gefährdungspotentiale könnten auch bei eventuellen Hackerangriffen aufs Smartphone drohen. Was sollte im Schadensfall passieren, damit Kunden nicht ggf. die Mitfahrt verweigert wird?
In solchen Fällen müssen die Bahn und ebenso andere Transportunternehmen unbedingt Kulanz walten lassen. Es muss für den Fall, dass das Handy nicht funktionstüchtig ist, dass Daten durch einen Hackerangriff entwendet oder unbrauchbar wurden oder auch, dass die Systeme der Bahn selbst nicht funktionieren, ein alternatives System geben. Beispielsweise wäre denkbar, dass man in einem solchen Fall ein vorläufiges Ticket im Zug erwerben kann, dessen Kosten man später unbürokratisch zurückerstattet bekommt, wenn der Nachweis erbracht wurde, dass man ein Ticket erworben hatte. Wenn der Ausfall auf einen Fehler der Bahn selbst zurückzuführen ist, sollte es überdies eine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten geben, so wie dies bislang beispielsweise bei größeren Verspätungen der Fall ist.

Welche Regelungen erwarten Sie ggf. vom Gesetzgeber?
Der Gesetzgeber muss die Zugänglichkeit des Systems Bahn für alle Menschen sicherstellen, und dazu gehört auch die Möglichkeit der Buchung von Tickets auf unterschiedlichen Wegen. Dazu kann und muss der Gesetzgeber der DB AG als bundeseigenem Unternehmen klare Vorgaben machen, und für solche Regelungen werden wir uns im Bundestag auch weiter einsetzen. Generell plädieren wir zudem für eine grundlegend andere Struktur der Bahn, um den Gemeinwohlauftrag ernst zu nehmen und das Unternehmen nicht in erster Linie an der Renditemaximierung zu orientieren. Nur mit einer solchen veränderten Struktur kann die Bahn gemeinsam mit dem sonstigen öffentlichen Verkehr wieder das Verkehrsmittel für die Grundversorgung mit Mobilität für alle Menschen im Land werden: flächendeckend, bezahlbar, zuverlässig und sicher – und ohne Zugangsbarrieren.

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