Einige private Radiosender in Österreich wollen künftig 5G-Internet anstatt DAB+ für den Hörfunk nutzen. Was halten Sie von der Idee aus unserem Nachbarland?
Generell sollten die Radioprogramme überall da zu empfangen sein, wo die Hörer sind. Das schließt die analoge Verbreitung über UKW genauso mit ein wie die digitalen Verbreitungswege. Die Verbreitung von Radioprogrammen über 5G bietet viele Vorteile. Neben einer interaktiven Programmgestaltung und der Erstellung personalisierter und multimedialer Angebote – Mischung aus Bild, Text, Audio, Video und Augmented Reality – ist die Rückkanalfähigkeit zur Optimierung des Programms und zur Auslieferung hörerrelevanter Werbung ein großer Vorteil. Darüber hinaus bietet die internet-basierte Übertragung die Möglichkeit, Inhalte zeitunabhängig zu konsumieren, zum Beispiel als Podcast. Den Lieblingssenders kann man auch im Ausland über Apps, Webseiten oder Aggregatoren empfangen.
Bereits heute gibt es Radiosender, die die Möglichkeiten von interaktiven Streams testen und beispielsweise Skip-Funktionen integriert haben. Die Voraussetzungen, Mobilfunknetze für Audio und Video im Sinne des ursprünglichen Rundfunk-Privilegs zu nutzen, also frei empfangbar, ohne SIM-Karte, sind bereits bei 4G LTE+ geschaffen worden. Im geplanten 5G-End-Standard wird dies noch besser der Fall sein.
Inwieweit ist DAB+ nur eine Brückentechnologie, und lohnen hohe Investitionen in die digitale Radioterrestrik überhaupt?
Unsere Mitgliedsunternehmen sind auch auf dem Werbemarkt aktiv. Die werbetreibenden Unternehmen und die von ihnen beauftragten Werbeagenturen erwarten von den Medienunternehmen bereits heute, dass die Werbung den Nutzern auch zielgerichtet und bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden kann.
Welche Radiostandards sehen Sie künftig als Hauptverbreitungswege?
Wichtig ist, zum einen Radio technologieneutral zu betrachten, zum anderen die Hörer dort abzuholen, wo sie sind. Im Alltag erfolgt die Audio-Nutzung zunehmend über Smartphones. Es wird langfristig betrachtet nicht den einen Hauptverbreitungsweg in der Form, wie es heute UKW ist, geben. Aber UKW wird definitiv noch lange einer der Hauptverbreitungswege sein, ergänzt um digitale Verbreitungswege über das Internet oder in welcher Form auch immer.
Sollte der analoge UKW-Rundfunk erhalten bleiben, trotz der aktuellen Querelen um die Antennen, oder sollte, wie in Norwegen, UKW abgeschaltet werden, zugunsten digitaler Distributionswege?
Die Diskussion über den Zugang zu den UKW-Antennen hat mit der Frage des Distributionsweges nichts zu tun. In der Antennen-Diskussion ging und geht es um die Frage, wie nach dem Verkauf der Antennen durch die Media Broadcast die neuen Antennen-Eigentümer mit den Marktpartnern finanziell zueinanderkommen. Und das Thema wird in wenigen Tagen geregelt sein – entweder verständigen sich die Marktpartner oder die Bundesnetzagentur wird regulatorisch eingreifen.
Nach der Abschaltung von UKW in Norwegen ist die Tagesreichweite um knapp 20 Prozent zurückgegangen. Die Hördauer pro Tag ist im Durchschnitt um 15 Prozent niedriger. Einen derartigen Einbruch auch nur für kurze Zeit würde kein privater Hörfunkanbieter in Deutschland wirtschaftlich überleben. Daher also dem digitalem Transformationsprozess Zeit geben und Finger weg von UKW!