ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat Gebührengelder für private Sender gefordert, da diese einen Teil der Grundversorgung übernehmen würden. Wie stehen Sie dazu?
Conrad Albert hat mit seinem Vorstoß durchaus die richtigen Fragen gestellt. Aber seine Antwort ist nicht die richtige. Gebührengelder für private Sender wären eine direkte Subvention für private Rundfunkveranstalter, wodurch die im Grundgesetz verankerte Presse- und Rundfunkfreiheit gefährdet würde.
Direkte Subventionen bedeuten Abhängigkeit: Sollten private Medienhäuser finanziell vom Staat abhängig sein, wäre ihre Freiheit nicht mehr gewährleistet. Das duale System ist für die international vorbildliche Medienvielfalt in Deutschland neben den Presseverlegern zuallererst verantwortlich. Zu seinen Stärken zählt die klare Trennung zwischen gebührenfinanziertem öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privatwirtschaftlich agierenden Medienunternehmen, die sich zuvorderst über Werbeeinnahmen finanzieren.
Das sollte bewahrt werden. Aufgabe der Politik ist es, für faire Rahmenbedingungen und Entwicklungschancen aller Medienveranstalter, Öffentlich-rechtliche, Privatsender, Zeitungsverleger sowie global agierende Informationskonzerne neuen Typs wie z. B. Google oder Facebook, zu sorgen.
Namentlich die junge Zielgruppe wird nach Ansicht Alberts mit Informationen vornehmlich von den Privaten versorgt, da die Öffentlich-rechtlichen diese Zielgruppe kaum anspreche. Sehen Sie ARD und ZDF da stärker in der Pflicht?
ARD und ZDF sind in der Tat in der Pflicht, alle Altersgruppen zu erreichen. Dass die Medienpolitik und die Anstalten selbst bei der jungen Zielgruppe Defizite erkannt haben, zeigt die Gründung des internetbasierten jungen Angebots „funk“. Den Machern von „funk“ sollte man nach einem durchaus vielversprechenden Start noch etwas Zeit geben, ihre Ziele zu erreichen. Auch z. B. „zdfneo“ hat bei den jungen Zuschauern einiges erreicht. Aber selbstverständlich müssen sich alle Altersgruppen auch in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF wiederfinden.
Eine Anregung ist es, Gebühren nicht an Institutionen, sondern am Inhalt zu orientieren. Wie könnte eine Förderung „gesellschaftlich relevanter“ Medien-Inhalte aussehen?
Eine - bevorzugende - Regulierung, die nicht am Übertragungsweg, sondern an den Inhalten ansetzt, wird in der Medienpolitik ja seit einiger Zeit diskutiert. Noch liegen allerdings, soweit ich sehe, keine überzeugenden Kriterien zur Identifizierung der zu privilegierenden Medieninhalte vor. Daher bin ich froh, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB, angekündigt hat, dass der nächste Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung sich u.a. mit diesen Fragestellungen befassen wird.
Problematisch bleibt die Auswahl der förderungswürdigen relevanten Inhalte. Mit der grundgesetzlich verbürgten Staatsferne der Medien wäre eine Auswahl durch eine staatliche Einrichtung nicht vereinbar. Aber selbst eine - wie vorgeschlagen - staatsfern organisierte unabhängige Kommission könnte nicht automatisch auf die unerlässliche gesellschaftliche Akzeptanz für ihre Auswahlentscheidungen zählen. Das haben die jüngsten Diskussionen um das NetzDG gezeigt, als von vielen Seiten - meines Erachtens zu Unrecht - bezweifelt wurde, dass staatsferne externe Beschwerdestellen Entscheidungen treffen können, welche Fälle von Hassrede aus dem Netz zu entfernen sind, ohne dass die Meinungsfreiheit beschädigt wird.
In dem Interview kritisiert Albrecht Art und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auch insgesamt. Sehen Sie Reformbedarf?
Viele öffentlich-rechtliche Programme sind von vorzüglicher Qualität. Allerdings muss insbesondere im Hauptprogramm von ARD und ZDF Information (unabhängig von der Sportberichterstattung) als Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stärker im Vordergrund stehen - auch und gerade zu den Hauptsendezeiten. Qualität und Ausgewogenheit müssen Vorrang vor Einschaltquoten oder Klickzahlen haben.
Ich bekenne mich zu dem vordringlichen politischen Ziel, die Beiträge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk langfristig stabil zu halten. Es gibt noch Einsparpotenziale, etwa in einer engeren Kooperation zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern. Nur so wird sich die gesellschaftliche Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dauerhaft bewahren lassen.