Nach dem Entwurf zum Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag dürfen neue Sportwetten-Anbieter an den Markt – wie bewerten Sie diese Öffnung?
Positiv! Dass wir nun bei den Sportwetten endlich eine tragfähige Lösung gefunden haben, ist für mich ein ganz wesentlicher Zwischenschritt auf dem Weg zu einer sinnvollen und vor allem auch europarechtskonformen Glücksspielregulierung in Deutschland. Für uns Hessen ist das aber auch ein großer Erfolg, weil wir lange Zeit auf Änderungen gedrungen haben und leider über Jahre hinweg auf wenig Verständnis gestoßen sind. Wir – und damit meine ich alle Länder – befanden uns schlichtweg in einer Sackgasse. Dazu muss man wissen: Die Ursprungsidee hatte einen wesentlichen Geburtsfehler. Sieh sah die Ausgabe von 20 Sportwettenkonzessionen in Deutschland vor.
Man spricht in dem Zusammenhang von einer quantitativen Konzessionierung. Wir Hessen haben aber von Anfang an darauf gepocht, dass qualitative Kriterien zugrunde gelegt werden müssen, wenn es um die Frage geht, wer darf in der Bundesrepublik Sportwetten anbieten? Entscheidend ist nämlich nicht, wie viele Anbieter wir haben, sondern wie gut die Regeln des Glücksspielstaatsvertrags eingehalten werden. Dabei geht es z. B. um die Fragen des Spieler- oder Jugendschutzes. Leider wurden diese Bedenken nicht ernst genommen und wir kamen deutschlandweit in die Situation, in der wir bis heute sind. Der Versuch, Konzessionen an die 20 erfolgreichen Bewerber auszugeben, scheiterte an den Klagen unterlegener Anbieter, die – mit Fug und Recht – wissen wollten, warum sie nicht Sportwetten anbieten dürfen. So entstand die absurde Situation, dass bis heute Spieler und Anbieter formell illegal am Markt teilnehmen, ohne dass dabei die Regeln des Glücksspielstaatsvertrags durchgesetzt werden können. Dieser Stillstand hat jetzt ein Ende: Wer sich an die Regeln des Staatsvertrages hält, wird eine Konzession erhalten und darf künftig auch Sportwetten anbieten.
Politiker und Experten fordern eine bundesweite Glückspiel-Aufsicht. Wie sollte diese ausgestaltet sein?
Das ist eine unserer Kernforderungen, die wir in 2015 mit unseren „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ vorgelegt haben. Wir wollen eine rechtlich selbständige, gemeinsame Anstalt der Länder gründen, nach Vorbild der BaFin oder des ZDF. Bisher sind die Zuständigkeiten zum Beispiel für Sportwetten, Pferdewetten im Internet, Onlinespiele oder Werbeerlaubnisse im Internet auf einzelne Länder verteilt – nach unserem Modell wäre alles unter einem Dach. Als politisches Steuerungsorgan kann ein Länderverwaltungsrat dienen, der jedoch anders als das Glücksspielkollegium in die innere Verfasstheit der Anstalt integriert ist. Die Rechtsaufsicht bliebe bei den Ländern.
Die deutschen Regeln müssen vor dem EU-Recht bestehen. Wie schätzen Sie den Entwurf dahingehend ein?
Es ist ein erster wichtiger Schritt, aber es gibt noch viel zu tun. Wir wollen die Bundesländer auch in anderen Punkten argumentativ von unseren Vorschlägen überzeugen, damit wir nicht am Ende in einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission enden. Jüngst gab es eine Studie, wonach nur etwa jeder zwanzigste Spieler weiß, dass Online-Glücksspiele in Deutschland verboten sind.
Sowas ist auch ein Weckruf für die Ministerpräsidentenkonferenz. Den Nutzern kann man keinen Vorwurf machen, es liegt ja an der Trägheit der Länder, dass Spieler – ohne sich dessen bewusst zu sein – in die Illegalität getrieben werden. Deshalb müssen Online-Glücksspiele unter den strengen Auflagen von Spieler- und Jugendschutz auch erlaubt werden.
Spieler können in einem unregulierten Markt nicht effektiv geschützt werden und den Ländern entgehen zudem erhebliche Einnahmen. Kein Mensch versteht, warum Geldspielgeräte mit einem hohen Marktanteil von mehr als 50 Prozent in Gaststätten und Spielhallen erlaubt sind, obwohl sie das höchste Suchtpotential bergen, aber Online-Poker und Casinospiele weiterhin verboten sind.
Wir fordern für alle Länder eine zeitgemäße, kohärente und europarechtskonforme Glücksspielregulierung. Wir werden nach den Prüfaufträgen und der Evaluierung bewerten, ob uns die Ergebnisse der anderen Bundesländer beim Internet-Glücksspiel und bei der von uns vorgeschlagenen Gründung einer zuständigen Anstalt des öffentlichen Rechts reichen. Diese beiden Punkte müssen sauber gelöst werden.
Wenn wir der Auffassung sind, dass die Ergebnisse nicht europarechtskonform sind, werden wir kündigen und in Hessen ein eigenes Gesetz verabschieden. Diese Möglichkeit ist für Hessen ausdrücklich vorgesehen. Unser Kündigungsrecht ist kein Selbstzweck aber eine Form des Selbstschutzes. Damit haben wir es in der Hand, ob wir im Jahr 2019 weiter verankert bleiben wollen im Glücksspielstaatsvertrag oder ein eigenes Glücksspielgesetz in Hessen umsetzen.
Langfristig könnten Begrenzungen für die Anzahl der Wett-Anbieter gänzlich fallen. Welche Regeln müssten für einen freien Markt der Sportwetten aus Ihrer Sicht dann gelten?
Ich stelle immer wieder fest, dass bei dieser Frage offenbar zwei Dinge verwechselt werden. Es ist nämlich nicht entscheidend, wie viele Anbieter am Markt tätig sind, sondern, dass sie sich an die Regeln halten, die wir zum Wohle der Spieler gemeinsam aufgestellt haben. Die Regeln stehen im Glücksspielstaatsvertrag und darüber sind sich auch alle einig. Es geht um eine Reform der Glücksspielregulierung, damit diese Regeln auch effektiv durchgesetzt werden können.