Immer mehr deutsche Filmproduzenten achten auf umweltneutrale bzw. -verträgliche Standards. Woher kommt dieser Trend aus Ihrer Sicht?
Klimawandel und Umweltsünden erhalten immer mehr Aufmerksamkeit. Die Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft erreichen die Verbraucher und somit werden auch die Bürger sensibler für diese Themen. Die Filmbranche hat in den letzten Jahren erste Erkenntnisse über den Verbrauch und den CO2-Fußabdruck gewinnen können, so hat zum Beispiel eine Kinoproduktion in England 125.000 Wasserflaschen während der Dreharbeiten verbraucht. Es sind auch Schauspieler wie Leonardo di Caprio, die auf globale Missstände aufmerksam machen und das Thema voranbringen. Die Branche zeigt mehr Aufmerksamkeit und mehr Verantwortung, wobei am Ende immer die Haltung des Filmproduzenten entscheidend ist, ob etwas verändert wird. Der Imagegewinn trägt sicherlich dazu bei.
Der sogenannte „Grüne Drehpass“ der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein gibt eine große Anzahl von Handlungsempfehlungen. Wann ist eine Produktion aus Ihrer Sicht nachhaltig?
Bei uns beginnt die erfolgreiche Arbeit bereits bei den intensiven Beratungen der Produktion. Hier setzt das Bewusstsein für ein neues Handeln ein. Wichtig ist uns, dass die Produktionen über ihre alltäglichen Abläufe nachdenken und zu einem Umdenken bereit sind. Je mehr Maßnahmen umgesetzt werden, umso besser. Die Empfehlung sieht vor, dass mindestens vier von sechs Handlungsfeldern erfüllt sein müssen. Die Bereiche umfassen das Produktionsbüro, Catering, Licht und Technik, die Ausstattung, Transport und Mobilität und eine CO2-Berechnung. Wichtig ist immer, dass früh genug mit der Umsetzung gestartet wird. Nach dem Motto »Reduce, Reuse, Recycle« werden alle Gewerke überprüft. Wo kann gespart und wieder benutzt werden, wo ist es sinnvoll Investitionen für einen nachhaltigen Gebrauch zu tätigen wie z.B. Edelstahlbehälter für Getränke anschaffen statt Plastikbecher. Wenn dann jedes Teammitglied diese Erfahrung mit in die nächste Produktion nimmt, beginnt ein nachhaltiges Handeln. Seit 2013 besteht eine Kooperation mit der Hamburg Media School. Alle studentischen Produktionen werden nach den Empfehlungen des Grünen Drehpasses erstellt. Auch das bedeutet Nachhaltigkeit, weil der Nachwuchs Erfahrungen sammeln und diese zukünftig anwenden kann.
„Green Productions“ sind teurer. Die Budgets gerade beim TV stehen dagegen unter Druck. Wie geht das zusammen?
Es ist nicht zwangsläufig teurer. Gerade bei Serien amortisieren sich die Anschaffungen mit der Zeit. Man kann im Produktionsbüro die gesamte Ausstattung mit umweltfreundlichen Produkten einrichten. Dadurch können die Energiekosten gesenkt werden. Umweltfreundliche Fahrzeuge und Fahrräder können angeschafft werden, auch hier kann im Verbrauch gespart werden. Man muss in jedem Bereich genau prüfen, welche Verbesserungen umsetzbar sind. In der Technik sind LED-Produkte noch teurer, im Cateringbereich kann durch Reduzierung des Fleischkonsums gespart werden. Wenn ein Produzent überzeugt ist, klappt es auch mit der Umsetzung. Ausgezeichnete Serien wie z.B. „ Großstadtrevier „ und „Notruf Hafenkante“ von der Letterbox Filmproduktion haben positive Erfahrungen sammeln können, so wurde die Nutzung von Flügen für die Schauspieler fast auf null gesenkt. Bei Kinoproduktionen sieht es anders aus. Umweltfreundliche Maßnahmen und Anschaffungen belasten das Budget, entscheidend ist dann immer die Haltung der Produktion, ob man diese Investition tätigen will.
Wie unterstützt die öffentliche Hand den Trend zu „Green Productions“?
Ein Blick zurück in das Jahr 2011: Hamburg ist Europas Umwelthauptstadt, die Initiative Grüner Drehpass wird von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein entwickelt und von der Umweltbehörde zertifiziert. Über mehrere Jahre hat die Filmförderung einen kostenlosen CO2-Rechner angeboten, um die Emissionen zu erfassen. Die Position „Grüne Berater“ bei einer geförderten Produktion wird kalkulatorisch anerkannt. Mittlerweile sind mehr als 85 Produktionen mit dem Grünen Drehpass ausgezeichnet worden. Mit dem Best Practice Guide für nachhaltige Film-und Fernsehproduktionen hat die Initiative ein Fundament gelegt, das bundesweit für Aufmerksamkeit sorgt. In Baden-Württemberg plant man jetzt nach einem ersten Green Shooting-Projekt diverse Fördermaßnahmen, um umweltfreundliche Produktionen zu fördern. Die Richtlinien der Filmförderungen werden in Zukunft um ökologische Standards ergänzt, eine Selbstverpflichtungserklärung für Produzenten ist in der Entwicklung. In Österreich vergibt das Umweltministerium seit Anfang 2017 ein grünes Label für Film-und Fernsehproduktionen. Mit unserer Initiative schaffen wir ein Bewusstsein für einen ökologischen Umgang mit unseren endlichen Ressourcen. Die Filmbranche trägt Verantwortung und hat die Chance, vorbildlich voran zu schreiten - und es werden immer mehr.