ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat Gebührengelder für private Sender gefordert, da diese ein Teil der Grundversorgung übernehmen würden. Wie stehen Sie dazu?
Herr Albert hat zugleich zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die duale Rundfunkordnung bewährt hat und private Sender wirtschaftlich gesund dastehen. Diskussionen über eine Verbreiterung von Public-Value-Inhalten – also Angeboten mit besonderem Mehrwert für die öffentliche Kommunikation – sind natürlich gerade bei privaten Vollprogrammen immer willkommen. Ich halte es aber für falsch, Gebührengelder vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk an kommerziell arbeitende Sender umzulenken zu wollen. Auch private Betreiber sind verpflichtet, Informations- und Bildungsinhalte zu senden, um nach dem Rundfunkstaatsvertrag als Vollprogramme zu gelten. Insofern fordert Herr Albert Geld für eine Leistung, die er aus eigenem Interesse sowieso erbringen muss.
Namentlich die junge Zielgruppe wird nach Ansicht Alberts mit Informationen vornehmlich von den Privaten versorgt, da die Öffentlich-rechtlichen diese Zielgruppe kaum anspreche. Sehen Sie ARD und ZDF da stärker in der Pflicht?
Die beiden öffentlich-rechtlichen Programmfamilien, ARD und ZDF, haben bei den 3- bis 29-jährigen Zuschauerinnen und Zuschauern zusammen einen Marktanteil von fast 20 Prozent. Das ist deutlich weniger, als in den höheren Alterskohorten, was an der stärkeren Nutzung des Internets liegt. Deshalb versuchen ja die öffentlich-rechtlichen Sender mit neuen Formaten wie „funk“ auch bei jungen Menschen präsenter zu werden.
Die Zahlen, mit denen Herr Albert hantiert, kann ich so allerdings nicht nachvollziehen. Seine Behauptung, dass ProSieben-Nachrichtenformat „Newstime“ mehr Zuschauerinnen und Zuschauer im Alter von 14 bis 29 Jahren erreicht als „heute“ und „Tagesschau“ zusammen, stimmt jedenfalls nicht. Es sei auch darauf hingewiesen, dass ProSieben mit „Newstime“ und den Spätnachrichten nur zwei tägliche Nachrichtenformate im Programm hat – die eine Sendezeit von zehn beziehungsweise fünf Minuten haben. Ansonsten profiliert sich das Programm von ProSieben ja eher durch Serien wie „Two and a Half Men“ und Boulevardmagazine. Ein Kommentar auf dem Portal Meedia hat es so formuliert: Es gehöre schon eine gewisse Chuzpe dazu, ein solches Programm als Grundversorgung zu bezeichnen und dafür öffentliches Geld zu wollen.
Eine Anregung ist es, Gebühren nicht an Institutionen, sondern am Inhalt zu orientieren. Wie könnte eine Förderung „gesellschaftlich relevanter“ Medien-Inhalte aussehen?
Im SPD-Regierungsprogramm haben wir die bessere Auffindbarkeit von Public Value-Inhalten aufgenommen. Das betrifft vor allem Plattformen wie die Startbildschirme bei Smart-TVs und soll auch Privatsendern zugutekommen. Ob es darüber hinaus finanzielle Anreize geben sollte, ist eine offene Frage. Die RTL-Senderfamilie, die ja durchaus interessante Informationsangebote im Programm hat, lehnt das ab. Ich glaube, im Kern sollten sich Privatsender motiviert fühlen, auch ohne Gebührengelder verstärkt Public-Value-Inhalte zu verbreiten - wenn auch nicht in gleichem Umfang wie bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
In dem Interview kritisiert Albert Art und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auch insgesamt. Sehen Sie Reformbedarf?
Das wird ja gerade mit den Ländern diskutiert und ich gehe davon aus, dass wir Veränderungen sehen werden, auch ein effizienteres Arbeiten. Fortschrittliche Strukturen und Inhalte müssen definiert werden, um die Akzeptanz, Qualität und Reichweite des Angebots langfristig zu sichern. Gerade in Zeiten der Informationsflut und Desinformation brauchen wir aber einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der nicht vorrangig nach wirtschaftlichen Kriterien arbeitet. Er muss weiterhin ein zentraler Anbieter journalistisch-redaktioneller Inhalte bleiben. Angesichts des rasanten Medienwandels müssen wir zugleich darüber diskutieren, wie ARD und ZDF im Netz noch präsenter werden können. Deshalb sollte der Telemedienauftrag zeitgemäßer, entwicklungsoffener und vor allem nutzerfreundlicher ausgestaltet werden. Es geht also letztlich um ein Mehr und Besser statt um ein Weniger.