Diesel-Skandal, selbstfahrende Autos von Start-Ups, künftige Verbrennungsmotoren-Verbote in verschiedenen Ländern - die deutsche Autoindustrie steht unter starkem Druck. Wo ist die sprichwörtliche deutsche Innovationskraft geblieben?
Ich kann keinen Verlust der Innovationskraft erkennen. Die baden-württembergische Fahrzeugindustrie treibt die Entwicklung der Elektromobilität und der Digitalisierung, also auch des autonomen Fahrens, mit großem Engagement voran. Elektrofahrzeuge sind fester Bestandteil der sogenannten Fächerstrategie der baden-württembergischen Hersteller und Zulieferer. Viele Innovationen auf diesen Themenfeldern sowie bei neuen Geschäftsmodellen und Services sind made in Baden-Württemberg.
Welche Zukunft hat der Individual-Verkehr angesichts von Klimawandel und Umweltproblemen überhaupt?
Der Wunsch und Bedarf nach individueller Mobilität ist ungebrochen und wird es meiner Meinung nach auch bleiben. Mittels alternativer Antriebe und Kraftstoffe wird es uns gelingen, dies auch klimaneutral und emissionsfrei zu realisieren. Mittels der Digitalisierung werden wir Verkehrsströme und die Mobilität insgesamt effizienter organisieren können. Auch wenn die Vielfalt und der Mix aus Mobilitätslösungen zunehmen und gerade Intermodale- und Sharing-Konzepte in Städten immer attraktiver und beliebter werden, hat der motorisierte Individualverkehr eine bedeutende Zukunft vor sich.
In der Vergangenheit – etwa bei der Einführung der Katalysatoren – hat die Politik einen Technologiewandel massiv unterstützt. Wie kann und sollte die Politik in künftigen Strukturwandel der Autoindustrie eingreifen?
Wir positionieren uns als Landesregierung technologieoffen. Wir haben uns zum Klimaschutzabkommen bekannt. Das heißt, bis 2050 muss Mobilität emissionsfrei gestaltet werden. Wie die Wirtschaft das umsetzt, ist ihre Sache. Wir machen keine Vorgaben. Gleichwohl fördern wir natürlich Forschung und Entwicklung in bestimmten Feldern, zum Beispiel in der Zell- und Batterietechnologie, die innerhalb der elektromobilen Wert-schöpfungskette enorme Bedeutung hat.
Die Herausforderungen des momentanten Transformationsprozesses in der Branche machen den engen Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherorganisationen, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft erforderlich. Die Landesregierung hat daher mit diesen Partnern eine Arbeitsstruktur abgestimmt, die kurze und schnelle Entscheidungswege ermöglicht. Dieser „Strategiedialog Automobilwirtschaft BW“ ist ein völlig neues Format der institutionalisierten Zusammenarbeit, die auf Arbeitsebene in sechs strategischen Themenfeldern organisiert wird.
In Themenfeld 1 fallen Forschung und Entwicklung, Produktion und Zulieferer. Themenfeld 2 umfasst den Vertrieb und Aftersales. Beide werden seitens des Wirtschaftsministeriums verantwortet und sind zugleich die Handlungsfelder des „Transformationsrates Automobilwirtschaft“, den ich ins Leben gerufen habe.
Themenfeld 3 beinhaltet die energiepolitischen Fragen des Transformationsprozesses. Der Bereich Digitalisierung liegt in Themenfeld 4. Verkehrslösungen fallen in Themenfeld 5. Das Themenfeld 6, Forschungs- und Innovationsumfeld, ist als Querschnittsthema angelegt. Zudem stellt das Querschnittsthema Zivilgesellschaft, ebenso wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung, eine Klammer für alle Themenfelder dar.
Unsere Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie Baden-Württemberg e-mobil BW GmbH wird als Innovationsagentur des Landes für neue Mobilitätslösungen und Automotive die einzelnen Aktivitäten dieses Prozesses bündeln und koordinieren.
Millionen Besitzer von Diesel-Autos müssen sich vermutlich auf Fahrverbote einstellen – wer sollte die Diesel-Fahrer wie entschädigen?
Schadensersatzansprüche sind ein rechtliches Thema, kein politisches. Wenn Pflichtverletzungen stattgefunden haben, wird auch Schadensersatz geleistet. Das ist geltendes Recht, das bisher sehr gut funktioniert hat.
Unser übergeordnetes Ziel ist die Luftreinhaltung und die Verbesserung der Luftqualität beispielweise in Stuttgart. Es müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Ziel möglichst schnell zu erreichen. Die im Diesel-Gipfel auf Bundesebene vereinbarten Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Branche sichert zu, mit den beschlossenen Maßnahmen einen vergleichbaren Effekt, wie mit temporären Fahrverboten zu erreichen. In diesem Fall könnte auf Fahrverbote verzichtet werden.
Mir ist es wichtig, dass wieder Sicherheit und Vertrauen hergestellt werden. Wir brauchen diese Vertrauensbasis, damit Fahrzeuge „Made in Baden-Württemberg“ auch künftig erfolgreich am Markt nachgefragt werden. Die Autobranche ist am Zug, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Die Nachrüstung ist ein erster Schritt, die Branche hat sich zu weiteren Maßnahmen, die eine Verbesserung bringen, verpflichtet. Ich bin zuversichtlich, dass die Autobranche die Zeichen der Zeit erkannt hat.