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Komponisten fordern klare Mindestvorgaben für Verlage

Was nach dem GEMA-Urteil anders werden muss

John Groves, Gründer GROVES Sound Branding GmbH Quelle: GROVES John Groves Inhaber GROVES Sound Branding GmbH 20.11.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"In der künftigen Vertragsgestaltung werden Verlage genauer darauf achten, ihre Ansprüche auf Beteiligung auch für den Fall abzusichern, dass der GEMA aus anderen Gründen erneut die Direktausschüttung an Verlage verwehrt wird", sagt John Groves. Der erfolgreiche Komponist und Musikproduzent ist Präsident des Composers Club in Deutschland. Und er fordert klare rechtliche Vorgaben für Verlage  - am besten auf EU-Ebene.







Ein Gerichtsurteil, nach dem die Gema nicht automatisch Teile von Tantiemen an Verlage abführen darf, ist nun rechtskräftig. Wie ändert sich dadurch die Situation der einzelnen (Musik-)Markt-Teilnehmer?
Die GEMA hat nie "automatisch" Teile von Tantiemen an Verlage abgeführt, sondern Verlage nur beteiligt, wenn diese - oder die Urheber - angaben, dass ein Verlagsvertrag geschlossen wurde. Allerdings hat sich herausgestellt, dass die Rechteübertragung in den Standard-Verlagsverträgen nicht in Gänze wirksam war, da Rechte – wie das Urteil begrüßenswerterweise klar gemacht hat – nicht zweimal übertragen werden können und die in den Verlagsverträgen zur Übertragung an den Verlag vorgesehenen Rechte in der Regel von Urhebern bereits an die GEMA zur Wahrnehmung übertragen worden sind. Das neue Verwertungsgesellschaftengesetz hat allerdings Klarheit geschaffen, so dass Verlage bei Vorliegen eines Verlagsvertrages nunmehr problemlos an Vergütungen aus Nutzungsrechten beteiligt werden können. Die Reihenfolge der Rechteübertragung spielt nach dem neuen Gesetz praktisch keine Rolle mehr, damit die verlegerische Tätigkeit entlohnt werden kann. Allerdings darf die GEMA nicht mehr einfach auf Basis eines Verlagsvertrages Anteile an den sogenannten gesetzlichen Vergütungsansprüchen (resultierend z. B. aus Privatkopievergütung durch Gerätehersteller) an Verlage austeilen. Die Situation ändert sich dahingehend, dass Urheber für jedes Werk nach Veröffentlichung dem Verlag gegenüber bestätigen müssen, dass sie mit der Verlagsbeteiligung an gesetzlichen Vergütungen einverstanden sind. Bei Nicht-Einverständnis können Verlage an diesen Vergütungen nicht beteiligt werden. Allerdings machen sie nur einen kleinen Prozentsatz an der Gesamtvergütung aus.

Viele Urheber können nun die an Verlage ausgezahlten Tantiemen zurückverlangen. In welchem Umfang rechnen Sie mit solchen Forderungen?
Die Rückforderung von an Verlage ausgezahlten Tantiemen gestaltet sich gar nicht so einfach wie man annehmen könnte. Erstmal erstreckt sich die Rückforderung nur auf den Zeitraum 2012-2016. Ab 1.1.2017 ist die Situation durch das neue Verwertungsgesellschaftengesetz klargestellt. Dann ist nicht gesagt, dass ein individuell zwischen Urheber und Verlag geschlossener Vertrag die gleichen Voraussetzungen erfüllt wie der Vertrag, dessen Unwirksamkeit das Kammergericht Berlin festgestellt hat. Aus diesem Grunde stuft die GEMA bei Widerspruch eines Urhebers gegen die Verlagsbeteiligung im betreffenden Zeitraum die entsprechenden Gelder als "strittig" und hält sie zurück, bis Urheber und Verlag sich außergerichtlich oder gerichtlich über ihren Vertragsstatus geeinigt haben. Klar ist aber, dass die meisten Verlagsverträge sich substanziell nicht von dem im Kammergerichtsurteil relevanten Vertrag unterscheiden. Somit haben Urheber gute Voraussetzungen, ihre Rückforderungsansprüche außergerichtlich oder gerichtlich zu begründen. Über den Umfang solcher Forderungen kann man nur spekulieren. Viele Urheber haben ihren Verlagen im Nachhinein durch das Bestätigungsverfahren der GEMA die bereits erhaltenen Anteile bestätigt und verzichten somit auf Rückforderungen. Ob ein Urheber Verlagsanteile zurückfordert, hängt letztlich stark davon ab, wie zufrieden er mit seinem Verlag ist bzw. welche Markt-Nachteile er erleiden könnte, wenn er gegen die Interessen seines Verlags handelt.

Die Auszahlung des Verleger-Anteils ist auch weiterhin statthaft, wenn entsprechende Vereinbarungen zwischen Urhebern und Verwertern getroffen wurden. Wie wird das die künftige Vertragsgestaltung beeinflussen?
In der künftigen Vertragsgestaltung werden Verlage genauer darauf achten, ihre Ansprüche auf Beteiligung auch für den Fall abzusichern, dass der GEMA aus anderen Gründen erneut die Direktausschüttung an Verlage verwehrt wird. Einige Verlage nutzen diese Situation, was wir als Composers Club sehr kritisieren, um ihren Urhebern gleichzeitig schlechtere Konditionen aufzuzwingen. Dadurch, dass Verlage nunmehr Regelungen im Vertrag treffen, die erstatzweise für das GEMA-Regelwerk im Fall einer Hinderung der GEMA an der Direktausschüttung eintreten, eröffnen sich in Verträgen vorher ungekannte Räume für die Umgehung der GEMA-Verteilungspläne. Da müssen Urheber sehr genau aufpassen.

Auf EU-Ebene wird an einer Richtlinie zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ gearbeitet. Was sollte aus Ihrer Sicht zur Verlegerbeteiligung in dieser stehen?
Gegen eine Beteiligung gut und fair arbeitender Verleger/Verlage ist im Prinzip nichts einzuwenden. Gute Verlage sorgen für die Verbreitung und Vermarktung von Werken, damit sie genutzt werden können. Im optimalen Fall leisten sie Arbeit, die viele Urheber für sich selbst nicht leisten können oder wollen, die aber wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg eines Werks ist. Daher sollte in einer EU-Richtlinie die Mechanik der Rechteübertragung so geregelt sein, dass Verleger eine klare Rechtsgrundlage für eine Beteiligung haben. Gleichzeitig, und das ist mir sehr wichtig, muss aber geregelt sein, worin Verlagsarbeit überhaupt besteht. Schließlich gibt es unter Verlegern/Verlagen viele schwarze Schafe, die Urheber zur Unterzeichnung von Verlagsverträgen drängen, obwohl sie nicht angemessen zur Vermehrung der Werknutzungen beitragen und somit keine ausreichende Gegenleistung für ihre Beteiligung an den Tantiemen erbringen. Es ist vor allem im Filmbereich schwer nachzuvollziehen, dass ein Verlag zu einer Vermehrung der Werknutzung beiträgt, wenn doch das Werk ausschließlich in Verknüpfung mit dem Film seine Verbreitung erfährt und der Verlag das Werk unabhängig vom Film gar nicht im Sinne seines eigentlichen Auftrags verbreiten darf. Oftmals nutzen Verlage einfach Schlüsselpositionen am Markt, um sich trotz zweifelhafter Gegenleistungen von Urhebern an deren Einnahmen beteiligen zu lassen. Eine EU-Richtlinie sollte klar definieren, welche Mindestvoraussetzungen ein Verlag für eine Beteiligung zu erfüllen hat und unter welchen Umständen Urheber bereits geschlossene Verträge wieder kündigen können.

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