Viele Experten stellen Deutschland in Sachen Digitalisierung ein schlechtes Zeugnis aus und sehen das Land im europäischen Vergleich weit abgeschlagen. Welche Maßnahmen und politische Anreize braucht es nach Ihrer Einschätzung, um die Digitalisierung in Deutschland voranzubringen?
Da gibt es viele Baustellen: Wir brauchen politisches Engagement beim Ausbau digitaler Infrastruktur, wir brauchen Bemühungenum Bildung und berufliche Qualifikation, wir brauchen einen Staat, der beim Thema E-Government selbst mit gutem Beispiel vorangeht.
In manchen Bereichen würde es schon helfen, wenn die Politik der Digitalisierung keine sinnlosen Hürden in den Weg stellt, wie etwa beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger oder bis zuletzt bei der Störerhaftung für WLAN. Gleichzeitig besteht die Aufgabe nicht nur im Voranbringen der Digitalisierung, sondern ihrer Gestaltung. Bei Themen wie Smart City oder Arbeit 4.0 geht es nicht einfach um Ja oder Nein, sondern um die konkrete Ausgestaltung und die Frage, wem die Vorteile der Digitalisierung zufallen. Das kann nicht einfach dem Kräftespiel des Marktes überlassen bleiben, sondern muss politisch aktiv gestaltet werden.
Die Südländer Bayern und Baden-Württemberg haben jetzt Milliarden-Investitionen angekündigt und liefern sich einen Wettlauf um die „digitale Leitregion“. Andere Regionen werden solche Summen nicht aufbringen können – droht in Deutschland eine regionale Digitalisierungs-Gap? Wie kann der Bund hier ggf. gegensteuern?
Bereits jetzt existieren in Deutschland große regionale Unterschiede, was wirtschaftliche Bedingungen angeht, und ohne entsprechende Gegensteuerung werden sich diese auch im Rahmen der Digitalisierung reproduzieren. Auch wenn die digitale Welt theoretisch ortsungebunden ist, hängt z.B. sehr viel an der Frage der Netzanbindung. Die bisherige Strategie beim Breitbandausbau betrachten wir als gescheitert – anstatt auf einen privaten Monopolisten zu setzen, muss die öffentliche Hand hier direkte Investitionen tätigen und Infrastruktur bereithalten, wie auch bei anderen Leistungen der Daseinsvorsorge. Allgemein ist der Bund in der Verantwortung, strukturschwache Räume stärker zu fördern. Das schließt auch Unterstützung dabei ein, den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, und das tatsächlich in der Fläche und nicht nur einzelnen Kommunen.
Die politischen Rahmenbedingungen sind das eine – Gründer- und Unternehmergeist, sowie Innovationsbereitschaft das andere. Wie sehen Sie Deutschland diesbezüglich aufgestellt?
Wir sehen in Deutschland keinen grundsätzlichen Mangel an Ideen oder der Bereitschaft, sie umzusetzen – der entscheidende Punkt sind politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Das betrifft nicht nur Fragen unmittelbarer staatlicher Regulierung, sondern etwa auch die starke Neigung zu Monopolbildungen gerade im Bereich der Digitalwirtschaft, was es kleinen Unternehmen oft schwermacht. Bei der Förderung liegen für uns Schwerpunkte im langfristigen Engagement und bei gemeinwohlorientierter Innovation.
Zentrale Themen bei der Digitalisierung sind auch Bildung und Datenschutz. Wo sehen Sie in Bezug auf die Datensicherheit den größten Handlungsbedarf für Deutschland?
Beim Thema Datensicherheit spielen verschiedene Aspekte eine Rolle, aus denen sich entsprechende Handlungsfelder ergeben. Einer davon ist der menschliche Faktor – hier geht es um Sensibilisierung und den souveränen Umgang mit digitaler Technik. Dazu müssen Grundkompetenzen bereits früh in der Bildung vermittelt werden. Wichtig wäre auch, dass der Staat aus seiner zwiespältigen Rolle beim Thema IT-Sicherheit und Datenschutz herauskommt: Er kann sich nicht einerseits als Garant für Sicherheit präsentieren, wenn er auf der anderen Seite massenhafte Ausspähung und das Unterlaufen technischer Sicherungsmaßnahmen betreibt. Ein Handlungsfeld, das in naher Zukunft von großer Bedeutung sein wird, ist das „Internet of Things“. Hier entstehen neue Herausforderungen für Daten- und Informationssicherheit, denen wir begegnen müssen.