Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Laden an der heimischen Steckdose kritisch

Was Massen-E-Mobilität für unsere Stromnetze bedeuten würden

Dr. Wolfgang Klebsch, E-Mobility-Experte beim VDE Quelle: VDE TuI Dr. Wolfgang Klebsch E-Mobility-Experte VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik 10.11.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Der Strommehrbedarf für die Elektromobilität entspräche etwa einem Viertel des Gesamt‐Nettostromverbrauchs in Deutschland", sagt Dr. Wolfgang Klebsch vom VDE - Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik. Vor allem das Laden an der heimischen Steckdose oder Wallbox sei insbesondere im Fall älterer Gebäude und der sie umgebenden Niederspannungs‐Infrastruktur keineswegs unkritisch.







Der Ausbau der Elektromobilität in Deutschland ist beschlossene Sache. Welche Bedeutung hat das für Strom und Energiewirtschaft?
Ein Elektro‐PKW verbraucht etwa 20 kWh auf 100 Kilometern. Bei der für PKW typischen jährlichen Fahrleistung von 14.000 Kilometern beträgt der Stromverbrauch somit rund 2.800 kWh. Hochgerechnet auf 55.000 Elektroautos, die heute auf Deutschlands Straßen fahren, beträgt deren Nettostromverbrauch etwa 140 Millionen kWh. Im Jahr 2016 verbrauchten Industrie, Gewerbe, Verkehr und Haushalte zusammen 512 Milliarden kWh elektrische Energie, d.h. der Strombedarf der E‐PKW stellt für die Strom‐ und Energiewirtschaft heute noch kein Problem dar. Es kann aber noch einige Jahre dauern, bis Elektroautos einen relevanten Anteil an der jährlichen Zulassungsrate von heute 3,3 Millionen PKW ausmachen, zumal Reichweiten‐ und Verfügbarkeitsangst weiterhin als Gründe für die Kaufzurückhaltung bei Elektroautos genannt werden. Langfristig wird die Stromerzeugungskapazität trotz Verbesserungen der Energieeffizienz der Verbraucher deutlich erhöht werden müssen, wie in der Antwort zu Frage 3 beschrieben wird.

Eine wichtige Maßnahme zur Überwindung der Kaufzurückhaltung ist der verstärkte Ausbau der Ladeinfrastruktur mit besonderem Augenmerk auf Schnellladesäulen, deren Ladeleistungen von bis zu 350 Kilowatt geeignete lokale Infrastrukturmaßnahmen erfordern.

Sind die Netze ausreichend ausgebaut oder braucht es neue Netzstrukturen für die EMobilität?
Auch in Zukunft wird die große Mehrheit der E‐Autofahrer über Nacht zuhause laden wollen. Das Laden an der heimischen Steckdose oder Wallbox ist insbesondere im Fall älterer Gebäude und der sie umgebenden Niederspannungs‐Infrastruktur keineswegs unkritisch: Ein „normaler“ Haushalt nimmt selten mehr als zwei Kilowatt elektrische Leistung gleichzeitig in Anspruch. Selbst langsames Laden eines Elektroautos mit drei Kilowatt über viele Stunden hinweg stellt bereits eine mehr als doppelt so hohe Last für das heimische Stromnetz dar, die zu vorzeitigem Altern des verlegten Kabelmaterials führen wird.

Je mehr Elektroautos gleichzeitig über Nacht geladen werden, umso deutlicher werden auch die Rückwirkungen auf das Niederspannungsnetz in der Umgebung der Häuser sein. Schnelles Laden zuhause mit 11 oder gar 22 Kilowatt setzt eine Genehmigung durch den örtlichen Stromnetzbetreiber voraus. Der SPIEGEL berichtete kürzlich von einem Fall, in dem einem Kunden der Betrieb seiner privaten 22 kW‐Wallbox nur mit der Auflage genehmigt wurde, dass ein stärkeres Kabel zum Haus verlegt wird. Längerfristig wird man also systematisch veraltete Niederspannungsnetzwerke verbessern oder mit intelligenter Technik die anfallenden Stromflüsse besser organisieren müssen.

Wie steht es um die Sicherstellung von genügend Strom auch bei einer flächendeckenden Verkehrsinfrastruktur auf EBasis? Könnten 46 Millionen PKWs, die heute mit fossilen Brennstoffen unterwegs sind, auch als EPKW zu jeder Zeit mit Strom betankt werden?
Auf Deutschlands Straßen fahren heute rund 46 Millionen PKW, die jährlich 45 Milliarden Liter Benzin oder Diesel verbrauchen. Dabei werden 412 Milliarden kWh Energie freigesetzt, die etwa zu einem Drittel in Bewegungsenergie umgesetzt werden, was rund 150 Milliarden kWh entspricht. 46 Millionen E‐PKW würden bei einem Stromverbrauch von 20 kWh pro 100 Kilometer und einer 14.000 Kilometern jährlicher Fahrleistung pro Fahrzeug 128,8 Milliarden kWh elektrischen Strom verbrauchen. Ebenso hoch war im Jahr 2016 auch der Stromverbrauch der 41 Millionen Haushalte in Deutschland. Die in Summe erzeugte erneuerbare Energie aus Photovoltaik, Wind und Wasser betrug in diesem Jahr 140 Milliarden kWh, d.h. der gesamte heute erzeugte Grünstrom würde durch 46 Millionen E‐PKW fast vollständig aufgebraucht.

Der Strommehrbedarf für die Elektromobilität entspräche etwa einem Viertel des Gesamt‐Nettostromverbrauchs in Deutschland. Er wird sich zum Teil durch Verbesserung der Energieeffizienz der Verbraucher kompensieren lassen. Insgesamt wird die Stromwirtschaft die Erzeugungskapazität gegenüber heute deutlich anheben müssen. Um die optimale Klimaschutzwirkung zu erzielen, sollte der zusätzlich benötigte Strom weitestgehend aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden.

Welche energiepolitischen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit das Wunschkind EMobilität auch in der Praxis funktioniert? Stichworte Energiewende, Kohlestrom, Atomstrom, Zukauf von Strom etc.
Es sollte baldmöglichst festgelegt werden, mit welcher Geschwindigkeit der Umstieg auf die Elektromobilität erfolgen soll. So erscheint es beispielsweise sinnvoll, anzukündigen, dass ab 2030 keine PKW mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. In diesem Fall ließe sich der komplette Umstieg auf Elektroautos bis 2050 abschließen. Mit einer solchen Ankündigung wären die Leitplanken für das weitere Vorgehen gelegt, wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Erweiterung der Stromerzeugungskapazitäten oder die Festlegung des zukünftigen Strommixes.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Susanna Zapreva
Vorstandsvorsitzende
Stadtwerke Hannover

Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende enercity/Stadtwerke Hannover AG
E-Autos | Ladestationen

Strompreis von Steuerlast befreien

Warum das aktuelle Umlagensystem die E-Mobilität ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Susanna Zapreva
Vorstandsvorsitzende
Stadtwerke Hannover

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt
Forscher
Technische Hochschule Köln

Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt, Technische Hochschule Köln, University of Applied Sciences, Lehrgebiet Elektrische Netze (Electrical Grids)
E-Autos | Ladestationen

Forscher warnt vor Panikmache

Erst bei 50 Prozent E-Autos erhöht sich der ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt
Forscher
Technische Hochschule Köln

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Benjamin Tischler
Economist
Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Dr. Benjamin Tischler, Economist, Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
E-Autos | Ladestationen

Regulierungsdschungel bremst die E-Mobilität

Bundesdeutsches Steuer- und Abgabensystem als ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Benjamin Tischler
Economist
Institut der deutschen Wirtschaft Köln

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.