Bei der EU ist die Aufhebung des Territorialprinzips im Gespräch – danach müssten TV-Sender die Online-Rechte eines Films nur noch für ein EU-Mitgliedsland erwerben und könnten diesen dann in der ganzen EU zugänglich machen. Was halten Sie davon?
Bei der geplanten Verordnung der EU-Kommission geht es nicht um die Aufhebung des Territorialitätsprinzips. Die Pläne der Kommission sehen lediglich vor, dass die grenzüberschreitende Bereitstellung bestimmter Online-Dienste von Fernseh- und Radiosendern in beschränktem Umfang erleichtert wird. Der vzbv hatte sich für die Verbraucher deutlich mehr erhofft. Die Filmwirtschaft setzt diesen „minimalinvasiven“ Eingriff jedoch mit dem Untergang des Abendlandes gleich. Heute können Verbraucher überall in Europa problemlos Autos kaufen oder arbeiten. Nur bei digitalen Inhalten haben die Grenzbäume weiterhin Bestand. Das muss sich ändern.
Die Produzenten wehren sich. Wie sehr bedroht eine Aufhebung des Territorialprinzips die Filmwirtschaft in Europa?
Es bleibt dabei: Eine Aufhebung des Territorialitätsprinzips findet nicht statt. Vielmehr wird eine Regelung – die Kabel- und Satellitenrichtlinie – modernisiert, die bereits Anfang der neunziger Jahre etabliert wurde. Auch damals hat die Filmwirtschaft ähnliche Schreckensszenarien entworfen. Eingetroffen ist von alledem nichts. Für Verbraucher ergaben sich durch die Richtlinie jedoch viele Vorteile. Seitdem können sie zum Beispiel im europäischen Ausland deutsche Sender über Satellit empfangen. Außerdem wird Verbrauchern der Empfang ausländischer Sender in Deutschland ermöglicht. Mit der jetzt geplanten Richtlinie soll dieser Mechanismus in die Gegenwart übertragen werden. Dadurch würden Mediatheken und Live-Streams von Fernsehsendern in beschränktem Umfang grenzüberschreitend verfügbar sein.
Inwieweit ist der Filmmarkt in der EU überhaupt ein gemeinsamer?
Ob es einen gemeinsamen europäischen Filmmarkt gibt, ist fraglich. Für viele Verleiher aus dem EU-Ausland lohnt sich der Vertrieb in Deutschland schlichtweg nicht. Hier wäre es sinnvoll anzusetzen. Der steigenden Zahl von Verbrauchern, die sich für ausländische Inhalte interessieren, muss die Filmwirtschaft endlich ein Angebot machen. Verbraucher nutzen die Inhalte ohnehin schon. Mangels Alternativen greifen sie auf VPN-Server zurück, um Ländersperren zu umgehen oder laden Filme illegal herunter. Hier geht der Urheber jedoch leer aus.
Von einer Aufhebung des Territorialprinzips würden insbesondere auch Zuschauer profitieren, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Land gewählt haben. Welche wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung spielt diese Nutzergruppe?
Die Nutzergruppe und die Gründe, warum Verbraucher ausländische Inhalte nachfragen, sind sehr vielfältig. Das betrifft zum Beispiel den spanischen Angestellten in einem deutschen Unternehmen, die Erasmus-Studentin in Irland oder die dänisch sprechende Minderheit in Schleswig-Holstein. Wenn die Nachfrage nicht über ein nationales Angebot befriedigt werden kann, sollten die Verbraucher die Möglichkeit erhalten, die Inhalte aus einem anderen EU-Land zu beziehen. Die geplante Verordnung der Kommission wäre hierzu ein erster Schritt. Bedauerlicherweise steht derzeit eine Mehrheit der EU-Abgeordneten dem Vorschlag sehr skeptisch gegenüber. Dies ist umso unverständlicher, da sie hiermit elementaren Zielen der EU, wie der Förderung der sprachlichen Vielfalt, einen großen Dienst erweisen würden. Mit der geplanten Richtlinie könnte die Kommission dafür sorgen, dass europäische Inhalte eine bessere Verbreitung finden. Besonders in Zeiten von großer Europaskepsis und wachsendem Populismus wäre dies ein starkes Zeichen für Verständigung und für Europa.