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Linke fordern Abbau der Restriktionen für Öffentlich-rechtliche

Warum Private keine Gebühren bekommen sollten

Harald Petzold, MdB, Medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE Quelle: Bundestagsfraktion DIE LINKE Harald Petzold Bundestagsfraktion DIE LINKE 11.08.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, gerade in Zeiten groß angelegter Desinformationskampagnen und einem anhaltenden Transformationsprozess der Presselandschaft", sagt der Linken-Medienpolitiker Harald Petzold. Gerade darum bräuchten ARD und ZDF neue rechtliche Rahmenbedingungen.







ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat Gebührengelder für private Sender gefordert, da diese den ein Teil der Grundversorgung übernehmen würden. Wie stehen Sie dazu?
Ich sehe keinen plausiblen Grund, warum private, werbefinanzierte Fernsehsender mit einem stetig sinkenden Zuschaueranteil und gleichzeitig immer neuen Rekordrenditen der ProSiebenSat.1 Media-Aktiengesellschaft durch allgemein erhobene Rundfunkbeiträge subventioniert werden sollten. Außerdem widerspricht dieser Vorschlag unserem Anliegen der Werbefreiheit für beitragsfinanzierte Inhalte. Vernünftigerweise hat sich denn auch RTL von dieser Idee deutlich distanziert.

Namentlich die junge Zielgruppe wird nach Ansicht Alberts mit Informationen vornehmlich von den Privaten versorgt, da die Öffentlich-rechtlichen diese Zielgruppe kaum anspreche. Sehen Sie ARD und ZDF da stärker in der Pflicht?
Es ist richtig – im Hinblick auf das junge Publikum wurde in der Vergangenheit zu wenig getan. Doch der ARD und dem ZDF kann hier nur begrenzt die Schuld gegeben werden, da gesetzliche Regelungen den Spielraum der Öffentlich-Rechtlichen lange eingeschränkt haben und in vielen Fällen ist das noch immer der Fall. Immerhin zeigt das ZDF mit seinem neuen Online-Jungendangebot FUNK die notwendige Experimentierfreudigkeit. Das Pilotprojekt sieht vielversprechend aus und es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, die junge Zuschauerschaft zurückzugewinnen. Dass solche Versuche erst jetzt kommen, liegt auch in dem Widerstand der privaten Fernsehsender und der großen Verlage begründet. Jetzt mit dem Argument Gelder einstreichen zu wollen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk repräsentiere nicht die junge Zielgruppe, nachdem man zuvor immerwährend gegen die Möglichkeit des ÖRR, sich auch online angemessen aufstellen zu können, Lobbyismus betrieben hat, wirkt schon ein wenig kurios. Mittelfristig kann der Programmauftrag nur erfüllt werden, wenn hier der Handlungsspielraum erweitert wird. Schon jetzt geht die mittlerweile schon fast artifiziell anmutende Unterscheidung zwischen linearen und non-linearen Inhalten bei vielen jungen Menschen vollkommen an der Lebensrealität vorbei.

Eine Anregung ist es, Gebühren nicht an Institutionen, sondern am Inhalt zu orientieren. Wie könnte eine Förderung „gesellschaftlich relevanter“ Medien-Inhalte aussehen?
Ich halte diesen Vorschlag nicht für konstruktiv. Nicht nur, da die Definition gesellschaftlicher Relevanz generell eine schwierige Sache ist, sondern auch da eine solche inhaltsabhängige Finanzierung, wenn nicht die Gefahr der Zensur, dann zumindest die Gefahr eines Quotenrennens in sich birgt. Meiner Meinung nach kann gesellschaftliche Relevanz nur erzielt werden im Rahmen des innerhalb des Programmauftrags verfolgten Pluralitätsprinzips – alle gesellschaftlichen Teile unserer Gesellschaft müssen zu Wort kommen und auch zunächst weniger erfolgversprechende Formate müssen eine Chance bekommen. Ein ökonomischer Wettbewerb verschiedener Formate und Sender um Rundfunkbeiträge würde diesem Prinzip diametral gegenüberstehen.

In dem Interview kritisiert Albrecht Art und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auch insgesamt. Sehen Sie Reformbedarf?
Ja, den sehe ich, wenn auch vermutlich mit einer etwas anderen Schwerpunktsetzung. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Zuge der Medienkonvergenz seinen gesetzlichen Auftrag mit entsprechender Breitenwirkung auch erfüllen kann, müssen gesetzliche Restriktionen endlich aufgehoben werden. Die nicht mehr zeitgemäße Depublizierungspflicht der Sender sollte aufgehoben und über eine Streichung des Presseähnlichkeitsverbots nachgedacht werden. Weiterhin muss sich der ÖRR den aktuellen Entwicklungen dynamisch anpassen können. Langfristig muss hier eine öffentlich-rechtliche Plattform aufgebaut werden, auf der möglichst alle mit Beiträgen finanzierten Inhalte gefunden werden können. Was die Verwaltungsstrukturen anbelangt, sollte zunächst das Ergebnis der Arbeitsgruppe der Länder, das im September vorliegen wird, abgewartet werden. Sicherlich gibt es einigen Änderungsbedarf, bspw. hinsichtlich der Gremienorganisation. Doch warne ich vor Schnellschüssen. Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, gerade in Zeiten groß angelegter Desinformationskampagnen und einem anhaltenden Transformationsprozess der Presselandschaft.

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