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Maschinen-Ethiker sagt weniger Arbeit für Menschen voraus

Müssen wir uns schon bald auf andere Aufgaben besinnen?

Prof. Dr. Oliver Bendel, Experte für Maschinenethik am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW Quelle: Kai R. Joachim Prof. Dr. Oliver Bendel Forscher FHNW 04.10.2017
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Möglicherweise sind Co-Robots eine Übergangslösung, so dass wir in der Zukunft in allen Bereichen die Automatisierung haben, die wir aus manchen bereits kennen. Dann würde es auch weniger Arbeit für Menschen geben." Das sagt Prof. Dr. Oliver Bendel, Experte für Maschinenethik am Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Das müsse jedoch nicht nur ein Nachteil sein, denn wir können uns auf andere Aufgaben besinnen – wenn unsere Existenz grundsätzlich gesichert ist. "Die Unternehmen werden auch ohne uns Gewinne erzielen, die gerecht verteilt werden müssen."







Kollaborative Roboter kurz auch „Cobots“ gehen Menschen bei der Arbeit direkt zur Hand - eine Erleichterung für Menschen oder langfristig eine Gefahr für ihre Jobs?
Cobots (auch Co-Robots genannt) können uns unterstützen und entlasten. Es gibt viele Tätigkeiten, die nicht gut für unseren Körper sind. So verschleißen die Handgelenke, wenn wir über Jahre hinweg etwas montieren oder installieren. Co-Robots nehmen uns solche Tätigkeiten ab, etwa in der Autoproduktion, wo sie Dichtungen in Türen drücken. Wir machen das, was wir gut können und was uns nicht schadet, und die Maschinen das, was sie gut können. Natürlich können sie vieles gut, und sie können immer mehr. Möglicherweise sind Co-Robots eine Übergangslösung, sodass wir in der Zukunft in allen Bereichen die Automatisierung haben, die wir aus manchen bereits kennen. Dann würde es auch weniger Arbeit für Menschen geben. Das muss nicht nur ein Nachteil sein, denn wir können uns auf andere Aufgaben besinnen – wenn unsere Existenz grundsätzlich gesichert ist. Die Unternehmen werden auch ohne uns Gewinne erzielen, die gerecht verteilt werden müssen.

„Cobots“ arbeiten im Gegensatz zu herkömmlichen Industrierobotern regelmäßig in unmittelbarer Nähe von Menschen. Welche besonderen Sicherheitserfordernisse sehen Sie dadurch?
Trotz der engen Zusammenarbeit verspricht man sich eine hohe Sicherheit im Betrieb und in Bezug auf den Menschen, der nicht verletzt werden darf, sondern geschützt und entlastet werden soll. Co-Robots sind meist relativ langsam, haben recht natürliche Bewegungen und erkennen im besten Falle, was Gegenstände und was Lebewesen sind, womit zentralen Anforderungen bereits Rechnung getragen wird. Sie sind autonome, intelligente, lernfähige Systeme und als Generalisten angelegt. Dass sie von Menschen lernen können, indem diese die Roboterarme bewegen oder etwas vor den Kameras vorführen, ist in der gegebenen Situation besonders interessant, und maschinelles Lernen und maschinelles bzw. menschliches Arbeiten gehen eine fruchtbare Beziehung ein. Das birgt auch Gefahren – jemand könnte dem Roboter etwas beibringen, was einem anderen schaden könnte. Auch könnte man den Roboter hacken und damit jemanden in Gefahr bringen. Es wurde erkannt, dass Partien wie der Hals noch besser als bisher geschützt und dem Roboter einige Regeln mitgegeben werden müssen, die niemand aushebeln darf. Das ist auch eine Aufgabe für die Maschinenethik, in der man die Möglichkeit maschineller Moral untersucht (so wie man in der KI die Möglichkeit künstlicher Intelligenz erforscht).

„Cobots“ verfügen oft über umfangreiche Sensorik. Wie lässt sich die Total-Überwachung am Arbeitsplatz verhindern?
Gemäß einer weitverbreiteten Definition sind Roboter sensomotorische Maschinen (auch sensumotorische Maschinen genannt), die die menschliche Handlungsfähigkeit erweitern sollen. Co-Robots benötigen Sensoren nicht nur, um die richtigen Objekte ergreifen und einsetzen oder bearbeiten zu können, nicht nur, um sich in richtiger Weise zu bewegen, sondern auch, um das menschliche Gegenüber in richtiger Weise beurteilen zu können. Und sie kommen uns sehr, sehr nahe. Das bedeutet, dass Überwachung und Auswertung theoretisch in besonderer Weise möglich sind. Die Maschine könnte Aufschluss erhalten über die Beschaffenheit unserer Haut, über das Befinden unserer Haare, über den Zustand unserer Augen, über unsere Körperfunktionen. Sie könnte Aussagen über unsere Gesundheit und über unsere Leistung (und Leistungsfähigkeit) machen. Natürlich gibt es auch Serviceroboter, die dies tun können – doch Industrieroboter waren bisher kaum dazu in der Lage. Man kann die Co-Robots software- und hardwaremäßig beschränken und ihre Vernetzung einschränken. Man kann dafür sorgen, dass die personenbezogenen Daten nicht gespeichert oder sofort gelöscht werden. Eventuell würde man damit Chancen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Maschinen und die Arbeitssicherheit für Menschen verschenken. Man darf auch nicht vergessen, dass manche Arbeitgeber eine gewisse Überwachung anstreben werden. Letztlich sind die Datenschützer gefordert. Ich persönlich halte die informationelle Selbstbestimmung für ein hohes Gut.

Sehen Sie gesetzlichen Regulierungsbedarf in Hinblick auf „Cobots“?
Gerade mit Blick auf spezielle personenbezogene Daten ist zu ergründen, ob die bestehenden Regelungen und Bestrafungen ausreichen. Dann sind Fragen der Verantwortung und Haftung zu klären: Was ist, wenn der Co-Robot einen Menschen verletzt, weil er falsch programmiert, falsch angelernt oder manipuliert wurde? Hier ist die Informationsethik gefragt, zusammen mit der Rechtswissenschaft.

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