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Medieneliten leben in einer anderen Welt als die Durchschnittsbevölkerung

Wenn Dünnhäutigkeit bei Kritik dazukommt, wird das auf Dauer zu einem gravierenden Problem

Prof. i. R. Dr. Michael Hartmann, TU Darmstadt Quelle: Foto privat Prof. Dr. Michael Hartmann Professor TU Darmstadt 02.12.2016
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Der Anteil informativer Formate bei ARD und ZDF hat nach Einschätzung von Professor i. R. Dr. Michael Hartmann "über die Jahre deutlich abgenommen und vom Mainstream abweichende Meinungen kommen auch deutlich seltener als früher vor". Dabei gebe es an der Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender berechtigte und unberechtigte Kritik.







Wie schätzen Sie die journalistische Arbeit bei ARD & ZDF in Bezug auf Ihre Funktion als nationale Leitmedien ein?
Sie erfüllen diese Funktion im positiven Sinne nur sehr begrenzt. Der Anteil informativer Formate hat über die Jahre deutlich abgenommen und vom Mainstream abweichende Meinungen kommen auch deutlich seltener als früher vor. Dafür sind meines Erachtens vor allem zwei Gründe verantwortlich. Zum einen gibt es eine zunehmende Fixierung auf Quoten und spektakuläre Meldungen, zum anderen eine wachsende Neigung vieler Journalisten, den bequemen Weg zu gehen. Sich im Mainstream zu bewegen ist eben einfacher und mit weniger Arbeit verbunden als dagegen anzuschwimmen. Angesichts schlechter werdender Arbeitsbedingungen und unsicherer werdender Arbeitsverhältnisse ist das bei jüngeren Journalisten sogar zu verstehen. Die Qualität der Arbeit leidet aber darunter.

Existiert ein Glaubwürdigkeitsproblem bei den Öffentlich/rechtlichen oder haben wir es mit einem öffentlichkeitsheischenden Wutbürgertum zu tun, die ARD und ZDF grundlos herabqualifizieren?
Es ist eine Mischung aus beidem. Es gibt berechtigte und unberechtigte Kritik. Die Glaubwürdigkeit hat besonders dort zu Recht gelitten, wo die von ARD und ZDF verbreitete Position bei vielen Zuschauern auf Skepsis gestoßen ist, aber trotzdem so gut wie keine abweichenden Positionen präsentiert worden sind. Wenn führende Vertreter von ARD und ZDF dann noch auf Kritik so dünnhäutig reagieren, wie es z.B. ARD-Chefredakteur Kai Gniffke immer wieder macht, dann wird das auf Dauer zu einem gravierenden Problem.

Verstehen die etablierten Medien ihr Publikum noch oder braucht Deutschland neue Medieneliten?
Das Grundproblem besteht meines Erachtens darin, dass die Medienelite und die große Mehrheit der federführenden Journalisten in einer Welt leben, die nicht mehr viel gemein hat mit der Welt der Durchschnittsbevölkerung. Das gilt nicht nur für die Einkommen, sondern auch für die Herkunft. Letzteres trifft auf die privaten Medien sogar noch stärker zu als auf die öffentlich-rechtlichen. Von den Herausgebern und Chefredakteuren der privaten stammen drei Viertel aus den oberen vier Prozent der Bevölkerung. Bei den öffentlich-rechtlichen sind es gut 50 Prozent. Ähnlich sieht es bei den drei großen Journalistenschulen in Hamburg, Köln und München aus. Die Studierenden kommen zu über 70 Prozent aus Akademikerfamilien. Aus der unteren Hälfte der Bevölkerung stammt dagegen so gut wie niemand. Diese Herkunft zusammen mit der eigenen materiellen Lage und dem daraus resultierenden Freundes- und Bekanntenkreis begrenzt und verzerrt den Blickwinkel, ohne dass eine böse Absicht dahinter steht oder stehen muss. Bei Headlines wie „Den Deutschen ging es noch nie so gut“ oder „Die Deutschen werden immer reicher“ fragt sich die Mehrheit der Normalbevölkerung dann, wer damit gemeint sein soll. Besonders deutlich wird all das bei der politischen Berichterstattung aus Berlin. Sie vermittelt oft den Eindruck, als würden die dort tätigen Journalisten mit der normalen Welt kaum noch in Berührung kommen.

 

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