Ab 2025 will die EU-Kommission „intelligente“ Ladestationen für private Stellplätze mit mehr als zehn Parkplätzen vorschreiben. Was halten Sie von den europäischen Plänen einer Zwangsverpflichtung für Ladestationen?
In ihrem Vorschlag zur Novellierung der Gebäuderichtlinie sieht die EU-Kommission bei Wohnungsneubauten und umfangreichen Renovierungen eine Verpflichtung für Vorverkabelungen – nicht für komplette Ladestationen – vor. Die Tatsache, dass die Kommission Elektromobilität fördern will, ist natürlich positiv. Auch die Wohnungswirtschaft setzt sich für eine umweltschonende und nachhaltige Entwicklung der Wohnquartiere ein. Denn neben dem Ressourcenschutz kann so auch die Attraktivität ganzer Viertel gestärkt werden. Statt einer kompletten Vorverkabelung sehen wir allerdings den Einsatz von Leerrohren bei Wohnungsneubauten als viel sinnvoller an. Diese ermöglichen eine anschließende Errichtung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge flexibel je nach Bedarf. So sieht es auch der technische Leitfaden Infrastruktur der Nationalen Plattform Elektromobilität vor. Die Mitgliedstaaten sollten dabei selbst bestimmen dürfen, in welchem Umfang Leerrohre für welchen Gebäudetyp sinnvoll und notwendig sind.
Was würde eine solche Zwangsverpflichtung für die deutsche Wohnungswirtschaft bedeuten?
Eine generelle Verpflichtung zur Vorverkabelung bei Neubauten und umfangreichen Modernisierungen birgt die Gefahr, dass hohe Investitionen letztlich umsonst getätigt werden. Denn der Fortschritt bei der Elektromobilität gestaltet sich in den EU-Ländern unterschiedlich und ist technisch auch in Deutschland für die nächsten Jahre nicht vorhersehbar. Leerrohre würden eine im Vergleich zur Vorverkabelung kostengünstige Alternative mit der notwendigen Flexibilität darstellen. Angesichts der in den letzten Jahren enorm gestiegenen Baukosten, unter anderem aufgrund sehr hoher energetischer Anforderungen an die Wohnungen, werden unsere Unternehmen jetzt schon daran gehindert, Wohnraum im günstigen Preissegment anbieten zu können. Alle zusätzlichen Baukosten, die beispielsweise durch eine umfangreiche Vorbereitung auf Elektromobilität entstehen würden, sind deshalb sozialer Sprengstoff.
Welche Impulse setzt die deutsche Wohnungswirtschaft beim Thema Energiewende und nachhaltiges Wirtschaften?
Die Wohnungswirtschaft unternimmt seit Jahrzehnten viel für den Klimaschutz in ihren Beständen. Seit 1990 haben die Unternehmen bereits rund 67 Prozent ihrer Wohnungen energetisch modernisiert, mehr als die Hälfte davon komplett, das heißt inklusive Wärmedämmung. Darüber hinaus macht sich die Wohnungswirtschaft für die Erzeugung von erneuerbarer Energie vor Ort auf Quartiersebene stark. Denn derzeit tragen ausgerechnet die Mieter, die häufig über niedrige und mittlere Einkommen verfügen, die Lasten der Energiewende, können sich aber selbst gar nicht an ihr beteiligen. Ebenso wie Eigenheimbesitzer müssen Mieter daher die Möglichkeit bekommen, erneuerbaren lokal erzeugten Strom zu beziehen und dabei Geld zu sparen. Nur so kann die Energiewende im Gebäudebereich zu einem Erfolg werden. Im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung hat die Wohnungswirtschaft zudem eine umfassende Strategie für die Branche entwickelt, die mit großem Erfolg umgesetzt wird. Dazu gehört unter anderem der speziell für die Wohnungsunternehmen weiterentwickelte Deutsche Nachhaltigkeitskodex, mit dem Unternehmen ihre nachhaltigen Leistungen nachweisen können, und das Qualitätssiegel „Nachhaltiger Wohnungsbau“, mit dem nachhaltige Wohnungsneubauten zertifiziert werden.
Welche Forderungen haben Sie ggf. an die Bundespolitik, damit die deutsche Wohnungswirtschaft finanziell nicht durch eine Zwangsverpflichtung zu stark belastet wird?
Bei der Ausgestaltung von Vorgaben für den Einbau von Ladeinfrastruktur müssen auf nationaler Ebene die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der in Wohngebäuden – beispielsweise durch Photovoltaik – erzeugte Strom der Elektromobilität zur Verfügung gestellt werden kann. Dazu muss für Wohnungsunternehmen insbesondere die Möglichkeit einer „wirtschaftlichen Nebentätigkeit“ neben der Vermietung geschaffen werden. Ohne eine solche Regelung führt das vorbildliche Engagement eines Wohnungsunternehmens bei der Elektromobilität dazu, dass es plötzlich auch für das komplette Vermietungsgeschäft zusätzlich Gewerbesteuer entrichten muss. Den Unternehmen sind hier die Hände gebunden. Um die sogenannte „erweiterte Kürzung“ bei der Gewerbesteuer nicht zu verlieren, bleibt ihnen meist nichts anderes übrig, als von einer Tätigkeit im Bereich Eigenerzeugung und Vor-Ort-Nutzung von Strom abzusehen. Das ist ein großes Hemmnis für den Klimaschutz, das dringend beseitigt werden muss.