Der Ausbau der Elektromobilität in Deutschland ist beschlossene Sache. Welche Bedeutung hat das für die Energiewirtschaft?
Wir erleben aktuell einen historischen Umbruch in der Mobilitätsbranche. Das liegt vor allem an der schnellen technologischen Entwicklung, den fallenden Speicherpreisen und den neuen Mitbewerbern, die mit innovativen Technologien und Geschäftsmodellen in den Markt vordringen. In Anbetracht der gesteckten Klimaziele ist zudem der politische Druck nicht zu unterschätzen. Allein die Diskussion über mögliche Fahrverbote hat in den letzten Monaten zu einem starken Anstieg beim Verkauf von Elektrofahrzeugen in Deutschland geführt.
Für Energiedienstleister bietet dieser Wandel Chancen und Risiken zugleich. Zum einen verschwimmt zunehmend die Grenze zwischen der Automobilindustrie, der IT-Branche und der Energiewirtschaft. Es gibt zahlreiche, neue Anbieter, die mit ihren Geschäftsmodellen all diese Bereiche gleichzeitig bedienen. So können Kunden zum Beispiel ihren Stromliefervertrag beim Kauf eines Elektrofahrzeugs gleich mit abschließen.
Zum anderen ergibt sich für Energiedienstleister entlang der Wertschöpfungskette der Elektromobilität eine Vielzahl von Möglichkeiten – angefangen beim Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur, über das Lastmanagement und den Verkauf von Strom bis hin zur Verbrauchsmessung und -abrechnung. Mehrwertdienste bieten zudem das Potenzial, völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Sind die Netze ausreichend ausgebaut oder braucht es neue Netzstrukturen für die E-Mobilität?
Die Stromnetze sind nicht dafür ausgelegt, alle Fahrzeuge zum gleichen Zeitpunkt zu laden. Dazu wäre ein massiver Netzausbau notwendig, der aus unserer Sicht wenig sinnvoll ist. Es braucht vor allem mehr Intelligenz im Netz, sprich, es muss eine aktive Laststeuerung möglich sein. So können die Fahrzeuge dann geladen werden, wenn der Strom verfügbar ist und es das Netz verkraftet, ohne dass der Nutzer Einschränkungen hinnehmen muss. Beginnen wir jetzt damit, die Netze entsprechend intelligent zu gestalten, werden wir auch keine Schwierigkeiten haben, mehr und mehr Elektroautos zu integrieren.
Wie steht es um die Sicherstellung von genügend Strom auch bei einer flächendeckenden Verkehrsinfrastruktur auf E-Basis? (Kurz gefragt: Könnten 46 Millionen PKWs, die heute mit fossilen Brennstoffen unterwegs sind, auch als E-PKW zu jeder Zeit mit Strom betankt werden?)
Die Menge des benötigten Stroms ist auch bei 46 Millionen Elektrofahrzeugen unkritisch. Das sind 15 bis 20 Prozent mehr Strom, als wir aktuell insgesamt in Deutschland benötigen. Allein im Netzgebiet der MITNETZ STROM wurde im vergangenen Jahr an zirka 200 Tagen Strom aus erneuerbaren Energien ins Übertragungsnetz zurückgespeist, der zukünftig ebenso zum Laden von Elektrofahrzeugen genutzt werden könnte.
Welche energiepolitischen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit das Wunschkind E-Mobilität auch in der Praxis funktioniert? (Stichworte Energiewende, Kohlestrom, Atomstrom, Zukauf von Strom etc.)
Die Energiewende wird ohne eine Mobilitäts- und Wärmewende nicht funktionieren. Für diese so genannte Sektorkopplung muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Die Elektromobilität ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Baustein dieser dezentralen Energiewende. Dazu bedarf es aber Anreize für die Netzbetreiber, ihre Netze intelligent zu gestalten.