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Neue Regeln für Pauschalreisen bringen mehr Bürokratie

Warum die Verbraucher unterm Strich trotzdem profitieren

Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer Deutscher ReiseVerband Quelle: Deutscher ReiseVerband Dirk Inger Hauptgeschäftsführer Deutscher ReiseVerband 21.06.2017
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Uwe Schimunek
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"Der Buchungsprozess wird transparenter und rechtssicherer, aber leider auch bürokratischer", sagt Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen ReiseVerbandes. Vor allem die Sorgen der Reisebüros um höhere Kosten teilt er.







Der Bundestag hat neue Regeln für Pauschalreisen beschlossen. Was ändert sich für den Urlauber?
Der Buchungsprozess wird transparenter und rechtssicherer, aber leider auch bürokratischer. Wenn Sie im Reisebüro buchen – sei es im stationären Reisebüro um die Ecke, oder abends online auf der Couch – werden Sie künftig besser über Ihre Rechte aufgeklärt. Sie wissen also künftig genau, welche Form der Reise Sie buchen und welche Rechte Sie als Verbraucher haben. Das geht aus einem Informationsblatt hervor, das Ihnen zu Beginn der Buchung ausgehändigt wird.

Darüber hinaus ist der Kunde finanziell besser geschützt, wenn er sogenannte Verbundene Reiseleistungen bucht. Wenn er zum Beispiel einen Flug auf der Seite einer Airline auswählt und anschließend gezielt auf die Seite eines Mietwagenanbieters weitergeleitet wird, um dort eine Anschlussbuchung durchzuführen, muss die Airline das vom Kunden entgegen genommene Geld gegen ihr eigenes Insolvenzrisiko absichern. In diesem Fall tritt die Airline als Vermittlerin einer Verbundenen Reiseleistung auf, wird also behandelt wie ein Reisebüro.

Einzelne Regeln stärken Verbraucherrechte gegenüber dem bisherigen deutschen Recht, andere nicht. Gewinnt der Verbraucher unterm Strich?
Aus meiner Sicht ja. Denken Sie zum Beispiel an den Fall höherer Gewalt. Wenn Gäste – etwa wegen eines Waldbrandes oder eines Unwetters – nicht planmäßig nach Hause fliegen können, so muss der Veranstalter in Zukunft nicht nur die zusätzlichen Kosten für die spätere Rückreise des Kunden vollständig übernehmen – früher hat man sie sich geteilt – sondern ist zudem verpflichtet, die Gästen bis zu drei weitere Nächte auf seine Kosten unterzubringen. Das ist ein großes Plus für die Urlauber, die eine organisierte Reise gebucht haben.

Es wird gelegentlich behauptet, Reisende hätten künftig Nachteile, weil der Festpreis nicht mehr gelte. Denn Veranstalter können den Reisepreis nach Vertragsabschluss in bestimmten, gerechtfertigten Ausnahmefällen, um bis zu acht Prozent anheben. Tatsächlich ist es aber so, dass Veranstalter den Reisepreis bereits jetzt schon um bis zu fünf Prozent anheben können. Aber die Verbraucher spüren davon wenig, weil die Veranstalter nur äußerst selten von diesem Recht Gebrauch machen. An dieser Praxis wird sich nicht viel ändern. Denn zum einen haben Reiseveranstalter ein hohes Interesse an zufriedenen Kunden. Zum anderen erlaubt das Gesetz diese Preiserhöhung nur in einigen wenigen Ausnahmefällen. Was viele nicht wissen: Diese neue Regelung bringt auch Vorteile für den Verbraucher. Denn, wenn ein Reiseveranstalter sich das Recht von Preiserhöhungen vorbehält, muss er im Gegenzug auch die Preise um bis zu acht Prozent senken, z. B. wenn Treibstoffkosten sinken oder sich der Wechselkurs zugunsten des Urlaubers ändert.

Inhaber von Reisebüros befürchten durch die neuen Regeln Nachteile – berechtigterweise?
Die Reisebüros befürchten, dass es komplizierter und bürokratischer wird und diese Sorgen teilen wir. Viele Reisebüros befürchten auch, dass sie jetzt durch die auf den ersten Blick komplex erscheinenden Neuregelungen ungewollt in die Veranstalterhaftung rutschen. Das wird häufig unter dem Stichwort „Verbundene Reiseleistung“ diskutiert. Wenn ein Reisebüro sicherstellen will, dass es eine „Verbundene Reiseleistung“ verkauft und damit kein Risiko hat, in die Veranstalterhaftung zu kommen, muss es bestimmte Punkte beachten. Leistungen müssen separat ausgewählt und separat gebucht werden und das Reisebüro muss darauf achten, keine Gesamtrechnung für alle Leistungen gebündelt auszustellen. Die neue Regelung bringt mehr Bürokratie und erfordert zudem, dass Reisebüros ihre Mitarbeiter schulen. Aber sie bringt für Reisebüros und deren Kunden auch mehr Rechtssicherheit und Transparenz.

Die EU-Richtlinie sieht eine Evaluierungsphase vor. Welche Regeln brauchen Reisende und Anbieter für die Zukunft?
Diese Frage wird sich erst beantworten lassen, sobald wir erste Erfahrungen mit der neuen Rechtslage gesammelt haben. Ursprünglich hat die Politik die Revision der Pauschalreiserichtlinie in Angriff genommen, um neue Buchungsformen im Internet in ihren Anwendungsbereich zu ziehen. Man wollte faire Marktbedingungen, echte Wettbewerbsgleichheit ebenso wie mehr Verbraucherschutz schaffen. Wir sehen am Ende dieses Prozesses, dass dies nur bedingt gelungen ist. Die neue Gesetzeslage führt gerade für die klassischen, stationären Reisebüros und Reiseveranstalter zu mehr Bürokratie und Kosten. Jetzt müssen wir genau beobachten, wie stark die neuen Regelungen die Branche und den Markt beeinflussen werden. Aber wir werden sehr vorsichtig mit der Forderung sein, das Gesetz so schnell wie möglich in Brüssel wieder auf den OP-Tisch zu legen. Dann beginnt der gerade abgeschlossene Prozess von vorne. Die Europäische Kommission, die EU-Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament müssen sich erneut abstimmen. So etwas dauert Jahre. Und es ist keineswegs gesichert, dass dann praxistaugliche Regelungen herauskommen.

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