Diesel-Skandal, selbstfahrende Autos von Start-Ups, künftige Verbrennungsmotoren-Verbote in verschiedenen Ländern - die deutsche Autoindustrie steht unter starkem Druck. Wo ist die sprichwörtliche deutsche Innovationskraft geblieben?
Tatsächlich stand die Perfektionierung der bestehenden Produkte zu sehr im Vordergrund. Dabei verliert man leicht den Blick für die großen Innovationen. Dazu gehören bei der Mobilität vor allem neue und CO2-arme bzw. -freie Antriebskonzepte und die Digitalisierung. Auf beiden Feldern hat sich starke Konkurrenz entwickelt. Dies insbesondere durch neue innovative und mutige Unternehmen. Das sind nicht nur die Großen wie Tesla, sondern gerade auch Startups wie der Streetscooter. Diese darf man auf keinen Fall unterschätzen. Die deutsche Automobilindustrie hat aber inzwischen deutlich mehr Geschwindigkeit aufgenommen und kann auch bei diesen beiden Themen eine Spitzenposition in der Welt einnehmen.
Welche Zukunft hat der Individual-Verkehr angesichts von Klimawandel und Umweltproblemen überhaupt?
Tatsächlich wird es neben dem weiterhin starken Individualverkehr neue Mobilitätskonzepte geben. Vor allem in den stark urbanisierten Räumen wird nicht mehr jeder das eigene Auto nutzen. Insbesondere Carsharing erlebt eine Renaissance. Gerade in Verbindung mit der Elektromobilität. Möglich wird dies alles durch das hohe Maß an Digitalisierung. Viele Konzepte sind erst durch das Smartphone wirklich attraktiv. Insofern haben Daten morgen vielleicht schon ein höheren Wert als das eigentliche Fahrzeug.
In der Vergangenheit – etwa bei der Einführung der Katalysatoren – hat die Politik einen Technologiewandel massiv unterstützt. Wie kann und sollte die Politik in künftigen Strukturwandel der Autoindustrie eingreifen?
Ich halte es für wichtig auch weiterhin technologieoffen die Entwicklung CO2-freier Antriebe voranzutreiben. Dazu gehört neben den batterieelektrischen Fahrzeugen das Thema Wasserstoff/Brennstoffzelle und auch das Thema synthetische Kraftstoffe. Wir werden ökologisch nur besser, wenn wir die Energie für die Mobilität auch aus den erneuerbaren Energien gewinnen. Mit Kohlekraftwerken Strom zu erzeugen und damit elektrisch zu fahren macht wenig Sinn. Daher ist es wichtig die Energiewende voranzutreiben und über die Sektorenkopplung das Thema Mobilität einzubinden. Regenerative Energien für CO2-freie Mobilität. Dazu werden wir als Staat auch die Ladeinfrastruktur weiter ausbauen. Die Anreize für den Kauf von Elektrofahrzeugen sind richtig, aber es müssen dann auch attraktive Fahrzeuge auf dem Markt verfügbar sein. Damit ist vor allem ab 2019 zu rechnen.
Millionen Besitzer von Diesel-Autos müssen sich vermutlich auf Fahrverbote einstellen – wer sollte die Diesel-Fahrer wie entschädigen?
Die Aufgabe ist klar: Es darf keine Fahrverbote geben. Der Diesel ist und bleibt eine wichtige Antriebstechnologie. Mit dem überall vorhandenem Diesel-Bashing muss endlich Schluss sein. Wir haben 15 Millionen Dieselfahrer in Deutschland und denen haben wir gestern noch erklärt, wie CO2-arm ihre Antriebstechnologie ist und dass dies umweltschonend sei. Die dürfen wir doch heute nicht zu den angeblichen Schmutzfinken machen. Um die Fahrverbote zu verhindern brauchen wir Lösungen wie die geänderte öffentliche Mobilität in Städten, mehr CO2-arme Busse, mehr E-Busse und E-Taxen. Wir brauchen endlich intelligente Verkehrssteuerungen, also klug vernetzte Ampelsteuerungen in den Städten. Fließender Verkehr ist emissionsärmer als stehender Verkehr. Und wir müssen die vorhandenen Dieselfahrzeuge um- und nachrüsten. Softwareupdates sind eine Lösung. Aber auch die technische Nachrüstung für die Diesel mit Euro 3 und 4 ist möglich und kann wie beim Dieselpartikelfilter vom Staat unterstützt werden. Dann ist auch Schluss mit der Debatte um Fahrverbote.