Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Ohne Qualität ist Rundfunk als Mediengattung in Gefahr

Warum die Digitalisierung trotzdem auch eine Chance fürs Lokal-TV ist

Uwe Conradt, Direktor der Landesmedienanstalt Saarland Quelle: LMS Uwe Conradt Direktor Landesmedienanstalt Saarland 14.11.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

"Lokal-TV hat seine Stärke bei der Abbildung der Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort", sagt Uwe Conradt, Direktor der Landesmedienanstalt Saarland. Für die Zukunft bereitet ihm Sorge, "dass wir auf die Frage, wie wir Qualitätsjournalismus im privaten TV und im Internet werbebasiert refinanzieren können, bislang keine zufriedenstellende Antwort haben."







Zeitungsredaktionen dünnen die Lokalredaktionen aus, auf der anderen Seite entstehen private Blogs und Angebote im Netz – welche Rolle spielt Lokal-TV heute in der regionalen Medienlandschaft?
Lokal-TV hat seine Stärke bei der Abbildung der Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort. Es hat komparative Vorteile gegenüber Print-Produkten in seiner audiovisuellen Wirkmacht, gegenüber Blogs in seiner redaktionellen Qualität. Je besser Inhalte journalistisch-redaktionell dargeboten werden, desto höher ist die langfristige Perspektive von Lokal-TV, als verlässliche Informationsquelle von den Zuschauern ernstgenommen zu werden. Die Digitalisierung ist dabei nicht nur Risiko, Reichweitenverluste zu erleiden, sondern auch Chance, die Aufmerksamkeit jener Haushalte zu bekommen, die bislang keine regionalen TV-Angebote empfangen konnten oder diese in der Programmliste nicht gefunden haben.

Apps, Streaming, Mobil - die Inhalte müssen über immer mehr Plattformen zum Zuschauer gebracht werden. Wie lässt sich das refinanzieren?
Vielleicht hilft zur Einordung der Frage, ob die Kosten der digitalen Welt (zu) hoch sind, die Erinnerung daran, dass vor noch nicht allzu langer Zeit für die Rundfunkübertragung extrem teure Fernsehtürme gebaut wurden. Schon die aus heutiger Sicht unglaublich teure analoge Kabel- und Satellitentechnik war dazu im Vergleich eine Kostenersparnis in Bezug auf den erreichbaren Haushalt je Programm. Wer über die Kosten von Apps, Streaming und Mobil klagt, hat in Wahrheit kein Geschäftsmodell für die digitale Welt. Mir macht dabei vor allem Sorge, dass wir auf die Frage, wie wir Qualitätsjournalismus im privaten TV und im Internet werbebasiert refinanzieren können, bislang keine zufriedenstellende Antwort haben. Die Funktion des Rundfunks in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, aber auch seine demokratische Legitimation als eigene Mediengattung ist auch in Gefahr, wenn TV-Programmmacher und Gesellschafter ihren Anspruch an die Qualität des Programms immer weiter zurückschrauben. Im Internet sieht die digitale Wirklichkeit in vielen Bereichen so aus, dass um Klickraten zu erzielen, jede noch so seichte Nachricht zum Skandal hochgeschrieben wird. Es wäre wünschenswert, wenn Angebote mit einem recherchierenden und unabhängigen Qualitätsjournalismus, mehr Auffindbarkeit und höhere Erträge je Klick bekämen, als z.B. Katzenbilder.

Auf dem diesjährigen Lokal-TV-Kongress beklagten Anbieter, dass regionale Werbegelder aus den Regionen abfließen und es neue rechtliche Regeln geben müsse. Was sollte sich ändern?
Das Saarland steht zum Verbot regionalisierter Werbung im bundesweiten Fernsehen, aber wir dürfen die Augen nicht verschließen, dass werbetreibenden Unternehmen immer mehr Kanäle zur Verfügung stehen, um Kunden zu erreichen. Die Möglichkeiten der direkten Kommunikation einerseits und der individualisierten Werbung über Facebook, Google und Amazon andererseits schöpfen einen zunehmenden Teil des Werbekuchens ab. Solange die TV-Veranstalter nicht auf die Daten der Plattformenanbieter zugreifen können – und warum sollten diese das gestatten - wird es sehr schwierig werden, dieser Tendenz etwas entgegenzusetzen. Ich sehe die einzige Chance des Rundfunks darin, auch in Zukunft eine wichtige Funktion auch für die Werbewirtschaft zu übernehmen, wenn er sich bei den Zuschauern das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit bewahrt und er sein Alleinstellungsmerkmal nicht leichtfertig selbst beschneidet – für Lokal-TV ist dies eindeutig die Regionalität.

In Deutschland aber auch international (etwa in der Schweiz) wird Lokal-TV sehr verschieden gefördert. Welche Instrumente gibt es bei Ihnen und welche können Sie sich in Zukunft vorstellen?
Die Förderung der Ausbildung von Mediengestaltern Bild und Ton und die Qualifizierungsangebote des Medienkompetenzzentrums, sind für uns wichtige Instrumente, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter im Bereich der digitalen Medien am Medienstandort Saarland vorhalten zu können. Wir fördern das Verständnis junger Journalisten für die Bedeutung von Digitalisierung und Europa als Bezugspunkt von Lokalem in Grenzregionen mit unserem Projekt Media & Me. Darüber hinaus existiert eine wirtschaftsfreundliche regionale und lokale Werberegulierung, die mit dazu geführt hat, dass es auch im Saarland wieder einen Lokal-TV Anbieter gibt. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft noch mehr jungen und kreativen Menschen den Weg in die digitale Medienwelt ermöglichen und wir Ihnen auch das journalistische Rüstzeug geben, damit sie einen ernstzunehmenden Vielfaltsbeitrag leisten können. Die Digitalisierung ist gerade für neue Angebote und Anbieter eine große Chance.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Anja Zimmer
Direktorin
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)

Dr. Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.
Lokal-TV

Berlin-Brandenburgisches Modell zur ■ ■ ■

Wie die mabb den Sendern hilft und was noch ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Anja Zimmer
Direktorin
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)

EIN DEBATTENBEITRAG VON
René Falkner
Vorstandsvorsitzender
BLTV

René Falkner, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Lokalfernsehen BLTV
Lokal-TV

Verband fordert Gleichbehandlung von ■ ■ ■

Wie Werberegeln die Umsätze in andere Medien ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
René Falkner
Vorstandsvorsitzender
BLTV

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolfgang Kreißig
Präsident
Landesanstalt für Kommunikation (LFK)

Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LFK)
Lokal-TV

LFK für flexiblere Fördermöglichkeiten ■ ■ ■

Wie die Sender fit für die digitale Zukunft ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Dr. Wolfgang Kreißig
Präsident
Landesanstalt für Kommunikation (LFK)

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.