Nach dem Entwurf zum Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag dürfen neue Sportwetten-Anbieter an den Markt – wie bewerten Sie diese Öffnung?
Mit dem am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag haben sich die Länder im Bereich Sportwetten für eine begrenzte Öffnung des Marktes im Rahmen einer Experimentierphase entschieden. Zu diesem Zweck wurden Konzessionen ausgeschrieben und im August 2014 mit den 20 am besten geeigneten Bewerbern abgeschlossen. Dieser klare politische Wille der Länder konnte wegen gerichtlicher Verfahren in Hessen gegen die Konzessionsverfahren noch nicht umgesetzt werden.
Mit der nunmehr auf Länderebene beschlossenen Änderung des Staatsvertrags im Bereich Sportwetten soll die Regulierung des Sportwettenmarktes abgeschlossen und Klarheit für die Anbieter und beteiligte Dritte, zum Beispiel Zahlungsdienstanbieter, Medien, Sportvereine und –verbände, geschaffen werden. Zugleich machen wir den Weg zu einer flächendeckenden Untersagung nicht erlaubter Angebote frei.
Dieser Schritt ist richtig, weil dadurch der Stillstand des Konzessionsverfahrens aufgelöst wird. Des Weiteren kann künftig der Schwarzmarkt effektiver bekämpft und der Schutz der Jugend und Spieler sichergestellt werden.
Politiker und Experten fordern eine bundesweite Glückspiel-Aufsicht. Wie sollte diese ausgestaltet sein?
Schon jetzt sieht der Staatsvertrag in verschiedenen Glücksspielbereichen eine bundesweite Aufsicht vor. Dafür wurde im Glücksspielstaatsvertrag das sog. ländereinheitliche Verfahren geschaffen. Danach können bestimmte Genehmigungen z. B. für Soziallotterien, gewerbliche Spielvermittlung und Sportwetten von einer Behörde vergeben werden, die dann Geltung in allen Ländern entfalten. Diese Behörde ist anschließend auch zentral für die Überwachung der erlaubten Anbieter verantwortlich.
Im Bereich des Vollzugs gegen unerlaubte Angebote gibt es eine solche einheitliche Zuständigkeit bislang nicht. Aus diesem Grund wird nun geprüft, wie der Vollzug gegenüber illegalen Online-Glücksspielangeboten kurz- und mittelfristig nachhaltig verbessert werden kann und inwieweit eine weitere Zentralisierung in diesem Bereich zu einer Stärkung des Vollzugs beitragen kann.
Die deutschen Regeln müssen vor dem EU-Recht bestehen. Wie schätzen Sie den Entwurf dahingehend ein?
Die Europäische Kommission begrüßt die Aufhebung der Begrenzung der Anzahl der Konzessionen ausdrücklich. Im Übrigen hat die Kommission zwar einige Fragen zu verschiedenen Einzelaspekten gestellt, die mit ihr noch erörtert werden. Dabei ist aber bislang nicht erkennbar, dass die Kommission den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag für nicht mit dem Unionsrecht vereinbar hält.
Langfristig könnten Begrenzungen für die Anzahl der Wett-Anbieter gänzlich fallen. Welche Regeln müssten für einen freien Markt der Sportwetten aus Ihrer Sicht dann gelten?
Wer sich mit Glücksspiel und dessen staatlicher Regulierung auseinandersetzt, der sollte die Besonderheiten dieses Marktes beachten. Glücksspiel ist kein normales Wirtschaftsgut. Es besitzt ein erhebliches Suchtpotenzial und kann deshalb mit negativen finanziellen und sozialen Folgen für den Spieler und seine Angehörigen verbunden sein. Glücksspiele können aus Veranstaltersicht nur dann funktionieren und bestehen, wenn die Spieler mehr verlieren als gewinnen. Die allgemeinen Marktgesetze, wonach Wettbewerb in einem möglichst weit geöffneten Markt die Qualität einer Dienstleistung oder eines Produkts verbessert und zugleich die Kosten für den Verbraucher niedrig hält, finden hier nur begrenzt Anwendung. Die grundsätzlichen Vorteile eines freien Marktes können sich im Glücksspielbereich ins Gegenteil verkehren.
Aus diesen Gründen ist es wichtig und richtig, dass der Staat seinen Schutzauftrag ernst nimmt und einen am Spielerschutz und Jugendschutz ausgerichteten Rahmen schafft, in dem legales Glücksspiel stattfinden kann. Zwar entfällt mit dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen, die materiellen Anforderungen zur Sicherung des Jugend- und Spielerschutzes gelten aber unverändert fort. Dazu zählen unter anderem ein Einsatzlimit von 1.000 EUR im Internet sowie der Ausschluss von Jugendlichen und gesperrten Spielern. Speziell im Bereich der Sportwetten sieht der Gesetzgeber auch Beschränkungen beim Umfang der zulässigen Wettarten vor, um beispielsweise der Entstehung von Wettsucht vorzubeugen. Letztlich müssen sich die Regeln eines Glücksspielmarktes an den Zielen des Staatsvertrags orientieren. Dazu zählen der Jugend- und Spielerschutz, die Suchtbekämpfung, die Abwehr von mit Glücksspiel verbundenen Folge- und Begleitkriminalität sowie der Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften und die Sicherung der Integrität sportlicher Wettbewerbe.