Der Second Screen ist inzwischen Alltag – wie kann die klassische TV-Werbung mit der dadurch sinkenden Aufmerksamkeit in Werbepausen umgehen?
Das ist sicherlich für die Werbetreibenden und Agenturen gleichermaßen eine Herausforderung. Man sollte allerdings hervorheben, dass auch vor der Massenverbreitung von Smartphones der TV Zuschauer Werbepausen zur „Zerstreuung“ genutzt hat: Sei es durch das Aufnehmen der TV Zeitschrift oder das Gespräch mit seinem Partner. Zu glauben, vorher hätte jeder TV Zuschauer in der Werbeunterbrechung gebannt auf das TV Gerät geschaut, wäre naiv. TV Spots hatten also immer schon die Aufgabe, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zunächst einmal auf sich zu ziehen. Und die Bedingungen dafür sind ideal, denn das TV Gerät ist groß – heute deutlich größer als noch vor wenigen Jahren – und eigentlich immer im Sichtfeld. Zudem bietet die Tonspur vielerlei Optionen. Das zeigen auch einige Studien zur Blickfeldforschung: TV ist am häufigsten Impulsgeber für die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Dies kann aber natürlich auch der negative Impuls sein weg zu schauen und das Smartphone in die Hand zu nehmen. Beispielsweise weil Werbung läuft, die den Zuschauer nicht interessiert. Der Blick des Zuschauers ist aber niemals starr, er wandert permanent zwischen den Screens hin und her. Der Kreation des Spot kommt damit heute eine noch größere Bedeutung bei.
Welche Rolle spielen insbesondere Text und Ton bei der TV-Werbung in Zeiten des Second Screen?
Insbesondere der Tonspur kommt eine extrem wichtige Aufgabe zu, denn sie hat die größte Chance, die Aufmerksamkeit des Zuschauers wieder auf den Big Screen zurück zu holen. Dabei zeigt sich, dass es nicht unbedingt die großen Knalleffekte sein müssen. Absolute Stille kann manchmal den größten Effekt haben, ebenso wie ausgefallene Wortschöpfungen, eine interessante Stimme oder ein Trigger, der klar macht, wer jetzt genau aufpassen sollte. Textelemente können dies ebenfalls bewirken, wenn sie auch aus dem Augenwinkel heraus wahrgenommen werden.
Welche Chancen ergeben sich umgekehrt dadurch, dass ein Interaktions-Device in der Hand des Zuschauers liegt?
In erster Linie ist die Hemmschwelle für Direct Response viel kleiner geworden. Wenn ich etwas Interessantes sehe, muss ich mir das nicht merken und später im Web nachschauen, ich tue dies oftmals sofort. Zumindest für den ersten Blick auf das beworbene Produkt oder die Dienstleistung. Insofern profitieren beispielsweise e-commerce Kunden immens. Aber auch für Marken-Artikler muss das kein Nachteil sein, denn auch für sie sind weiterführende Webangebote wichtig und im Zweifel ist der Weg für Stammkäufer viel kürzer, ein interessantes Produkt, auf das sie aufmerksam geworden sind, via Social Media im Follower-Kreis zu verbreiten. Die Messbarkeit solcher Effekte unterstreicht zudem die Wirkungskraft des Mediums TV und eröffnet wieder Optimierungsoptionen für die Kampagne.
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei Channel-übergreifenden Kampagnen durch die zunehmende Verbreitung von Smart-TV-Geräten?
Ich glaube hier stehen wir noch ziemlich am Anfang. Sowohl was die Screen-übergreifende Datenbasis betrifft, als auch beim kreativen Einsatz dessen. Auch die Forschungslage ist hier noch dünn. Ob wirklich ein Doppelkontakt auf zwei verschiedenen Screens zum annähernd gleichen Zeitpunkt eine höhere Wirkung hat als zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten, ist nicht geklärt und darf zumindest angezweifelt werden. Spannender wird das Thema Retargeting über verschiedene Screens hinweg, auch im Sinne einer Maximierung von Netto-Reichweite. Wenn ich weiß, dass eine Person keinen Kontakt auf dem TV Screen hatte und ich sie dann gezielt auf dem Smartphone ansprechen kann, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Hier werden die kommenden Jahre sicherlich spannende Ansätze hervorbringen.
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