Das Digitalradio-Board beim BMVI hat eine Roadmap für die Transformation der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter entworfen. Das Papier enthält ein Maßnahmenbündel aber keine verbindlichen Termine. Wo sehen Sie Deutschland auf dem Weg zur Hörfunk-Digitalisierung?
Der von den Vorsitzenden des Digitalradio-Boards – der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Dorothee Bär, und der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales, Heike Raab – vorgestellte Entwurf für einen Aktionsplan für die Transformation der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter fasst die im Board geführte Diskussion zu einem Kompromiss zusammen, der von der absoluten Mehrheit der Board-Mitglieder mitgetragen wird. Unser Ziel ist eine Digitalisierung der Hörfunkverbreitung, die allen betroffenen Interessen angemessen Rechnung trägt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint die Vorgabe bestimmter Termine nicht zielführend.
Die Entwicklung der Hörfunk-Digitalisierung in Deutschland schreitet unaufhaltsam voran. In dem ersten bundesweiten DAB+-Multiplex sind derzeit 110 Sender in Betrieb. Im Dezember 2016 einigten sich die Länder über einen zweiten bundesweiten Multiplex. Das Ausschreibungsverfahren der Landesmedienanstalten befindet sich in der Endphase.
Auch die Verbreitung DAB+-fähiger Geräte ist erfreulich. Nach aktuellen Zahlen des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie besitzen 22 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren ein Digitalradio.
Ich bin zuversichtlich, dass das Medium Radio in Deutschland entgegen teilweise geäußerter Befürchtungen keine analoge Insel im Meer der digitalen Angebote bleiben wird.
Eine der zentralen Maßnahmen ist die Smart-Radio-Regelung, nach der künftig alle Hörfunkempfangsgeräte mindestens eine digitale Schnittstelle enthalten soll. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Ein zentrales Hemmnis für die Digitalisierung des Hörfunks ist die immer noch nicht flächendeckende Verbreitung von Digitalradiogeräten. Der Vorschlag des Digitalradio-Boards entspricht im Wesentlichen der rheinland-pfälzischen Bundesratsinitiative vom September 2016. Wir setzen uns für eine Interoperabilitätsverpflichtung ein, die sicherstellt, dass die meisten Radioempfangsgeräte, die neu in den Verkehr gebracht werden, auch digitale Signale empfangen können. Eine solche Regelung kann der digitalen Hörfunkverbreitung zum Durchbruch verhelfen. Ohne eine derartige Interoperabilitätsverpflichtung wäre der Erfolg des digitalen Antennenfernsehens nicht möglich gewesen.
UKW-Frequenzen, die öffentlich-rechtliche Anbieter nicht mehr nutzen, sollen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie bewerten Sie diese Maßnahme?
Verzichtet ein Rundfunkveranstalter auf analoge Übertragungskapazitäten zugunsten von digitalen, müssen die freiwerdenden Übertragungskapazitäten nach jetziger Rechtslage neu vergeben werden. Die Sorge der digitalen Vorreiter, dass die UKW-Übertragungskapazitäten in die Hände der Konkurrenz kommen, ist daher sehr berechtigt. Um attraktive und verlässliche Rahmenbedingungen für den Wechsel zur digitalen Technik zu schaffen, halten wir ein Moratorium für die Vergabe freiwerdender analoger Übertragungskapazitäten für sinnvoll und geboten. Diese Übertragungskapazitäten dürfen jedenfalls nicht zur Realisierung neuer oder bestehender Bedarfe genutzt werden.
Breitband-Internet und DAB+-Infrastruktur sollen ausgebaut werden. Wie weit hängt Deutschland in dieser Frage hinter der internationalen Entwicklung her?
Die Entwicklung von DAB+ ist in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich fortgeschritten. So unterteilt der aktuelle „Digital Radio 2017 report“ der Europäischen Rundfunkunion die Europäischen Staaten in vier Kategorien, „LEADERS“(„Führende“), „EMBRACERS“(„Folgende“; dazu gehört Deutschland), „NEWBIES(„Neulinge“)“ und „WAIT-AND-SEE“( „Abwartende“).
Für den zügigen Ausbau der Netze ist das Zusammenwirken aller Kräfte erforderlich.
In Bezug auf die verfügbaren Bandbreiten oder den Ausbaustand der Glasfaseranschlüsse belegt Deutschland hintere Plätze. Das zeigt, dass der Bund seine Anstrengungen beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur und hier insbesondere von hochleistungsfähigen Bandbreiten noch stärker intensivieren muss.
Die Länder haben bereits in der Vergangenheit eigene Initiativen entwickelt und diese zum Teil auf den Bund und dessen Bemühungen abgestimmt. Das Land Rheinland-Pfalz hat in allen Fällen die Bundesmittel ergänzende Landesmittel zugesagt und die Projekte nachhaltig und engagiert unterstützt. Dadurch werden die Projekte in der Kombination beider Fördermittelgeber mit 90 Prozent durch Bund und Land gefördert. Der kommunale Anteil ist auf 10 Prozent begrenzt. Die Landkreise werden so in die Lage versetzt, den FTTC-Ausbau voranzubringen. Nach Abschluss der Maßnahmen werden in den Projektgebieten für 85% der Haushalte Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s zur Verfügung stehen – 100% der Haushalte werden auf mindestens 30 Mbit/s zurückgreifen können.
Das ist ein erster und richtiger Schritt, dem weitere folgen müssen. In Rheinland-Pfalz haben wir uns für einen langfristigen, kompletten Netzinfrastrukturwechsel von Kupfer zu Glasfaser ausgesprochen (Stichwort Gigabitgesellschaft, FTTH). Das Land stellt für den Breitbandinfrastrukturausbau bis zum Jahr 2020 einen Verfügungsrahmen von 124,7 Mio. Euro zur Verfügung. Der langfristige Ausbau vor allem der Glasfaserinfrastrukturen und damit eines Aufholens hierbei im internationalen Vergleich kann aber nur dann gelingen, wenn auch der Bund den Ländern ein dauerhaftes Förderprogramm zur Seite stellt.