Bundesverkehrsminister Dobrindt plant ein Car-Sharing-Gesetz – überfällig oder überflüssig?
Ein Carsharinggesetz (CsgG) ist überfällig. Der Verkehrssektor verursacht rund 23 Prozent der CO2-Emission und ist der Bereich, der seine Klimaschutzaufgabe klar verfehlt. Grund ist unter anderem der immer noch zunehmende Pkw-Verkehr. In den Innenstädten verbrauchen Pkw den mit Abstand größten Teil des Straßenraums für sich. Mittlerweile wünschen sich 82 Prozent aller Deutschen weniger Autos in ihren Wohngebieten. CarSharing ist einer der Schlüssel zu einem Mobilitätswandel: In innenstadtnahen Wohnquartieren ersetzt ein CarSharing-Fahrzeug zwischen 8 und 20 private Pkw. Haushalte, die am CarSharing teilnehmen und dafür ihr eigenes Auto abschaffen, verändern ihr Mobilitätsverhalten deutlich. 78 % der Kunden im stationsbasierten CarSharing leben in Haushalten ohne eigenes Auto. Eine Dienstleistung, die solche Effekte auf die Alltagsmobilität hat, sollte gefördert werden.
Unter anderem sollen geteilte Autos bei öffentlichen Parkplätzen privilegiert werden dürfen. Wie könnten und sollten Car-Sharing-Anbieter behandelt werden?
Für die CarSharing-Anbieter sind gut sicht- und erreichbare Parkplätze erfolgskritisch. Das gilt insbesondere für stationsbasierte Angebote, die es in 540 Städten und Gemeinden in Deutschland gibt. Über 90 % dieser Fahrzeuge parken heute auf privatem Grund – auf Hinterhöfen, Supermarkt-Parkplätzen und in Tiefgaragen. In innenstadtnahen Lagen, wo CarSharing am meisten bewirken kann, finden sich oft gar keine privaten Parkflächen mehr. Die Dienstleistung durch Stellplätze im öffentlichen Raum für Kunden besser erreichbar und für Nichtkunden sichtbarer zu machen, ist daher von zentraler Bedeutung. Kostenlos müssen die Stellflächen hingegen nicht sein. Der öffentliche Raum ist ein kostbares Gut. CarSharing-Anbieter und ihre Kunden sollten hierfür genauso angemessen bezahlen müssen, wie alle anderen Nutzer des öffentlichen Raums.
Kritiker sagen, dass die positiven Effekte für Umwelt und Verkehrsaufkommen bei sogenannten Free-Floating-Anbietern geringer ausfallen, als beim klassischen Car-Sharing. Wie sollte dem Rechnung getragen werden?
Es ist richtig, dass die zentralen Umwelt-Kennziffern – Autoabschaffungsquote, Autobesitzquote und Veränderung des Mobilitätsverhaltens – für stationsbasierte Angebote besser ausfallen als für free-floating Angebote. Allerdings darf dies nicht verdecken, dass auch free-floating Fahrzeuge private Pkw ersetzen und das Mobilitätsverhalten der Nutzer positiv verändern. Entscheidend ist, dass beide Angebotsformen gleichermaßen einen Mobilwandel weg vom privaten Pkw fördern. Die Kommunen vor Ort müssen entscheiden, welchen Angebotstyp sie wie stark fördern wollen und welcher Angebotsmix für ihre Verkehrsstrategie am besten ist.
Welche weiteren Regelungen sollte ein Car-Sharing-Gesetz aus Ihrer Sicht unbedingt enthalten? Bzw. welche auf keinen Fall?
Aus unserer Sicht ist das CarSharinggesetz inhaltlich richtig. Defizite gibt es in Bezug auf die vorgesehene Umsetzung. Der Gesetzgeber hat aus formaljuristischen Erwägungen ein komplexes mehrstufiges Verfahren für die Ermöglichung anbieterspezifisch zugeordneter Stellplätze vorgesehen. In diesem Punkt hätten wir uns mehr Mut gewünscht, das Straßenverkehrsrecht zeitgemäß an die Wirklichkeit der Mobilität in deutschen Städten anzupassen.