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Verbraucherschützer sehen schwerwiegenden Einschnitt in Verbraucherrechte

Wie der vzbv die neuen Pauschalreise-Regeln bewertet

Felix Methmann, Team Mobilität und Reisen, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Quelle: vzbv Felix Methmann Referent Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) 14.07.2017
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"Das deutsche Reiserecht bietet im europäischen Vergleich bisher ein sehr hohes Verbraucherschutzniveau", sagt Felix Methmann, Experte beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.. Doch das ändert sich mit den neuen gesetzlichen Regeln in vielen Punkten.







Der Bundestag hat neue Regeln für Pauschalreisen beschlossen. Was ändert sich für den Urlauber?
Es wird zwei verschiedene Arten von Reiseschutz geben: Pauschalreisen bieten den größten Schutz, die neu eingeführten „verbundenen Reiseleistungen“ einen Basisschutz (Vorab-Informationen, ggf. Insolvenzschutz).

Zukünftig sind kurzfristige Vertragsänderungen und Preiserhöhungen  möglich, die Pauschalurlaubern ihre langfristige Planungssicherheit nehmen. Noch ist es so, dass der Reisepreis nicht geändert werden darf, wenn zwischen Buchung und Reiseantritt vier Monate liegen. In Zukunft können Preise noch bis 20 Tage vor Reiseantritt geändert werden, erst wenn die Änderung mehr als 8 Prozent ausmacht, darf der Urlauber zurücktreten. Bei einer typischen vierzehntägigen Flugreise für eine vierköpfige Familie zum gebuchten Preis von 3.400,00 Euro muss die Familie also damit rechnen, dass sie noch mal bis zu 272,00 Euro draufzahlen muss.

Entgegen der derzeitigen Rechtslage kann der Reiseveranstalter nach dem neuen Recht sogar eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Leistung vornehmen. Er kann bei einer Spanien-Rundreise zum Beispiel nach Barcelona statt nach Valencia fliegen. Der Reisende hat dann zwar die Möglichkeit, die Reise kostenlos zu stornieren, kann dann aber keinen Urlaub machen. Im Zweifel wird er daher in den sauren Apfel beißen.

Bei unerheblichen Änderungen der Reise hat der Verbraucher hingegen bald kein Stornierungsrecht mehr. So können vergleichbare Destinationen ausgetauscht werden, zum Beispiel bei einer Frankreich-Rundreise ein anderes, vergleichbares Bergdorf in der Provence als ursprünglich vorgesehen angesteuert werden.

Ein schwerwiegender Einschnitt in Verbraucherrechte ist, dass Tagesreisen bis 500,00 Euro und Ferienhausaufenthalte nach über 30 Jahren künftig nicht mehr unter das Reiserecht fallen sollen. Jährlich unternehmen die Deutschen, insbesondere Ältere und Alleinstehende, etwa 50 Millionen Tagesreisen, also  organisierte Tagesausflüge. Ferienhäuser in Dänemark oder Spanien sind beliebte Ziele deutscher Urlauber. Bisher konnten sie gegenüber dem Reiseanbieter Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn zum Beispiel der Reisebus Verspätung hat und eine teure gebuchte Veranstaltung deshalb nicht besucht werden kann. Entsprach das Ferienhaus nicht der Beschreibung, konnte Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude geltend gemacht werden. Künftig bleiben Verbraucher auf solchen Schäden sitzen. Diese deutliche Absenkung des Verbraucherschutzstandards geht nicht auf die EU, sondern auf die Bundesregierung zurück.

Positiv ist immerhin anzumerken, dass der Reisende in Zukunft statt einem Monat dann 24 Monate Zeit haben wird, Ansprüche auf Preisminderung und Schadenersatz geltend zu machen. Allerdings: Was bringt es dem Verbraucher, bald zwar wesentlich länger, aber doch deutlich weniger Rechte geltend machen zu können?

Einzelne Regeln stärken Verbraucherrechte gegenüber dem bisherigen deutschen Recht, andere nicht. Gewinnt der Verbraucher unterm Strich?
Unterm Strich verliert der deutsche Verbraucher deutlich. Das deutsche Reiserecht bietet im europäischen Vergleich bisher ein sehr hohes Verbraucherschutzniveau. Entgegen den Ankündigungen der Bundesregierung bringt auch die neue Reisekategorie „verbundene Reiseleistungen“ keinen Vorteil für Verbraucher. Auf Verlangen und nach den Wünschen eines Verbrauchers zusammengestellte Reisen (sog. „verbundene Reiseleistungen“ oder „Bausteinkasten-Reisen“) gelten schon jetzt aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs EU-weit als Pauschalreisen.

Inhaber von Reisebüros befürchten durch die neuen Regeln Nachteile – berechtigterweise?
Auf die Reisebüros kommt mehr Verantwortung zu. Sie müssen in Zukunft viel stärker darauf achten, was sie vermitteln und wie die Kunden bezahlen. Je nachdem was sie vermitteln oder verkaufen, müssen sie in Zukunft den Reisenden genau über seine Rechte und Pflichten informieren. Hierfür gibt es aber sieben amtliche Vordrucke, aus denen das Reisebüro auswählen kann. Es wird also tatsächlich umständlicher, aber der Aufwand hält sich in Grenzen.

Die EU-Richtlinie sieht eine Evaluierungsphase vor. Welche Regeln brauchen Reisende und Anbieter für die Zukunft?
Es bleibt abzuwarten, was für Auswirkungen das neue Reiserecht mit sich bringt. Gegebenenfalls muss gegengesteuert werden.

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