Wir alle kennen folgendes Szenario: Noch gestern galt das eben erworbene Smartphone als die unangefochtene Referenz in den Testberichten und Rankings der entsprechenden Fach- und Verbrauchermedien. Doch nur wenige Tage nach dem Kauf ist das eigene Topsmartphone schon nicht mehr auf dem Treppchen zu finden.
Schuld daran ist eine Flut von neuen und vermeintlich noch besseren Geräten, die tagtäglich auf den Markt drängen und um die Gunst der Verbraucher werben. Dass diese Masche der Verführung funktioniert, zeigt sich darin, dass die meisten Nutzer von technischen Geräten, vor allem von Mobiltelefonen, nach einem, spätestens aber zwei Jahren ihr noch funktionierendes Handy austauschen. Für die Endgeräteindustrie ein gefundenes Fressen, hat sich doch damit der unersättliche Mensch selbst zum Treiber für neue Technologien entwickelt. Das bestätigen jetzt auch Deutschlands führende Medienpsychologen im Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk. Sie haben für das Phänomen sogar den Begriff der „psychologischen Obsoleszenz“ entwickelt. Darunter verstehen die Forscher, dass die Verbraucher Gegenstände selbst als veraltet und abgenutzt ansehen und austauschen, obwohl sie technisch noch einwandfrei funktionieren.
Für Prof. Dr. Frank Schwab von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg geht es beim Erwerb von Technologien vor allem um Prestige, Status, Ansehen, Geltung. „Daher sind wir als Konsumenten geneigt, immer schneller den kürzeren Produktzyklen hinterherzulaufen. Schließlich wollen wir ja zeigen, wie großartig wir sind. Diese Signale der eigenen Qualität(en) richten sich an Partner und Konkurrenten: Ich kann mithalten oder gar überholen.“
Auch Prof. Kai Kaspar, Medienpsychologe an der Universität Köln, glaubt, dass einige technische Geräte, insbesondere Mobiltelefone, durchaus die Wirkung eines Modeartikels entwickeln können. Dann treten tatsächliche technische Neuerungen in den Hintergrund. Das Gerät habe dann nach Einschätzung des Professors die Funktion eines Symbols, mit dem ich beispielsweise die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zeige.
Einig sind sich die Wissenschaftler darin, dass das Thema der psychologischen Abnutzung von der Industrie und den Werbefachleuten bereits heute taktisch eingesetzt wird und in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. Für den Medienpsychologen Frank Schwab ist klar, dass es für die Industrie werbestrategisch viel unproblematischer ist, auf modische oder wettkampforientierte Argumente, anstatt produktionsseitig auf die vermuteten technischen Sollbruchstellen zu setzen. In der Bekleidungsbranche kennen wir das ja als: “Kleider machen Leute.”
Trotzdem mahnen die Forscher, es mit der psychologischen Obsoleszenz und den immer schneller aufeinanderfolgenden Produktzyklen nicht zu übertreiben. „Denn wenn der Wert des Produktes für uns immer schneller subjektiv verfällt“, so Kaspar von der Universität Köln, „dann fällt es uns auch irgendwann schwer, überhaupt noch eine positive affektive Einstellung gegenüber einem Produkt zu entwickeln. Zudem habe die psychologische Obsolezenz bei bestimmten Produkten aber auch ihre natürlichen Grenzen“. Denn damit ein technisches Gerät als Symbol fungieren kann, muss es nach Meinung der Wissenschaftler eine gewisse Sichtbarkeit haben. „Und da bietet sich ein Mobiltelefon oder Tablet mehr an als ein Stabmixer oder eine Mikrowelle – schließlich trägt man ja diese Geräte nicht in der Öffentlichkeit mit sich herum“, so Kaspar.