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Warum die Technik uns hilft, aber nicht so bald ersetzt

Digitalisierung als Wachstumstreiber für die Übersetzungsbranche

Kai Dominik Weyel, geschäftsführender Gesellschafter bei Wieners+Wieners Quelle: Lars Wendlandt Kai Dominik Weyel geschäftsführender Gesellschafter Wieners+Wieners 23.10.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Insgesamt wächst die Masse an Inhalten, die im Internet verbreitet werden, täglich und natürlich muss auch ein großer Teil davon in andere Sprachen übersetzt werden", konstatiert Kai Dominik Weyel, geschäftsführender Gesellschafter bei Wieners+Wieners. Gute Aussichten für den Sprachdienstleister der zu den führenden in Deutschland gehört und nach eigenen Angaben mit  mehr als 900 freien, handverlesenen Übersetzern und Lektoren weltweit arbeitet, die in über 70 Fremdsprachen übersetzen, adaptieren und lektorieren.







Maschinelle Übersetzungen werden immer besser – welche Zukunft haben klassische, manuelle Übersetzungen noch?
Wenn man unter klassischen, manuellen Übersetzungen die Übertragung eines Textes in eine andere Sprache allein mithilfe eines Wörterbuches versteht, dann muss man feststellen, dass es bereits jetzt kaum noch Übersetzer gibt, die auf diese Weise arbeiten. Seit den 90er-Jahren werden beispielsweise mehr und mehr sogenannte CAT(Computer-aided Translation)-Tools verwendet, die Übersetzer unterstützen. Diese Software ermöglicht konsistente und bei sich wiederholenden Texten auch schnellere Übersetzungen.

Im Bereich der maschinellen Übersetzungen wird schon seit den 30er-Jahren geforscht. Derzeit ist man von den Möglichkeiten neuronaler maschineller Übersetzungen begeistert. Diese basieren auf künstlichen neuronalen Netzen, die mithilfe von Datenmengen immer weiter optimiert werden. Für viele Sprachen wurden damit bereits erstaunliche Ergebnisse erzielt. Einige Sprachen, wie z. B. Deutsch, scheinen dabei jedoch schwerer zu erfassen zu sein als andere. Fakt ist jedoch, dass auch für die Sprachen, die mit sehr guten Ergebnissen maschinell übersetzt werden können, Übersetzer benötigt werden, um qualitativ hochwertige Texte zu erstellen. Im Moment sieht es danach aus, dass die maschinelle Übersetzung ein weiteres Werkzeug für den menschlichen Übersetzer ist und bleibt, ihn aber nicht ersetzen wird. Was die Zukunft bringt, lässt sich allerdings schwer vorhersagen.

Sind maschinelle Übersetzungen auch bei komplexeren Texten, wie etwa literarischen oder wissenschaftlichen, vorstellbar?
Menschliche Kommunikation beschränkt sich nicht allein auf die wörtliche Sprache. Auch im geschriebenen Text werden häufig Botschaften transportiert, die im bloßen Wort nicht enthalten sind. Ironie, Sarkasmus, Humor, auch Mitleid oder Empathie, sind alles Eigenschaften, die ein Mensch im Laufe seines Lebens im stetigen Prozess erlernt. Darüber hinaus sind die Gewichtung und das Verständnis jeder dieser Eigenschaften bei fast jedem Menschen anders. Eine technische Erfassung solch komplexer Prozesse ist momentan noch schwer vorstellbar. Sie sind aber wesentlicher Bestandteil literarischer Texte.

Die Qualität einer neuronalen maschinellen Übersetzung hängt ganz stark von der Menge der ihr zur Verfügung stehenden Daten und der Art des zugrunde liegenden Textes ab. Bedarf die Übersetzung einer Lokalisierung oder gar einer Transcreation, also eines Prozesses, mit dem nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle, nonverbale Besonderheiten des Zielmarktes berücksichtigt werden, ist immer noch eine Bearbeitung durch den Menschen erforderlich.

Welche Chancen könnte die Digitalisierung den klassischen Übersetzern oder Dolmetschern bei ihrer Arbeit im Gegenzug bieten?
Digitalisierung in Verbindung mit der Globalisierung ist ein Wachstumstreiber für die Übersetzungsbranche. Jedes international agierende Unternehmen hat eine mehrsprachige Website. Onlinegeschäftsmodelle und Social Media entwickeln sich rasant. Insgesamt wächst die Masse an Inhalten, die im Internet verbreitet werden, täglich und natürlich muss auch ein großer Teil davon in andere Sprachen übersetzt werden. Man darf nicht vergessen: Die Übersetzungsbranche ist die einzige Branche der Welt, die in buchstäblich jeder Industrie aktiv ist. Denn die wenigsten Produkte und Dienstleistungen, egal welcher Branche, werden mit dem Ziel auf den Markt gebracht, nur in einem Land vermarktet zu werden.

Die fortschreitende Digitalisierung und Technisierung hat die Berufsbilder von Übersetzern und Dolmetschern bereits nachhaltig verändert. Noch bis in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts hat es für einen Übersetzer gehakt, wenn er eine bestimmte Vokabel nicht im Wörterbuch finden konnte. Mit dem Siegeszug des Internets und der Entwicklung von CAT-Tools bieten sich dem Übersetzer ganz andere Recherchemöglichkeiten. Auch die Wiederverwendung bereits genutzter Terminologien und die Sicherstellung stilistischer Konsistenz haben sich dadurch vereinfacht. Das hat zu schnelleren und qualitativ höherwertigen Übersetzungen geführt.

Verbesserte maschinelle Übersetzungslösungen sind eine weitere Revolution für den Beruf. Schlagworte dafür sind „adaptive maschinelle Übersetzung“ und „Post-Editing“, also die Qualitätsoptimierung der maschinell erstellten Übersetzungen, wofür der Bedarf stetig steigt. Diese Veränderungen machen es teilweise überhaupt erst möglich, dass der Bedarf an qualitativ hochwertigen Übersetzungen auch in Zukunft gedeckt werden kann. Gute Übersetzer werden dabei auch in Zukunft sehr gefragt sein, wenn sie in der Lage sind, sich auf die technologischen Veränderungen einzustellen und sie zu nutzen.

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