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Wege aus der Vertrauenskrise

Warum Jugendliche Politik und Medien misstrauen – und was dagegen getan werden kann

Uwe Schimunek, Redakteur Quelle: Meinungsbarometer.info Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 16.06.2017

Die Ergebnisse dieser Studie sorgten für Aufsehen: Die große europäische Jugend-Studie „Generation What“ zeigt ein dramatisches Misstrauen junger Menschen gegenüber von Institutionen gerade auch in den deutschsprachigen EU-Ländern. 22 Prozent der Deutschen (Österreicher 37 %) zwischen 18 und 34 misstrauen nach einer aktuellen, europaweiten Untersuchung den klassischen Medien. Andere Institutionen stehen nicht besser da. Was wie ein Fiasko klingt, sieht im Vergleich aber beinahe wie eine Insel der Glückseligkeit aus – in Griechenland haben 71 % der jungen Leute gar kein Vertrauen in die Medien.

Die reinen statistischen Werte sagen für die österreichische Bundesbildungsministerin Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ) zunächst noch nichts über die Auslöser dieser Vertrauenskrise aus. Erst weitere Aussagen dieser Gruppe könnten auf mögliche Ursachen hinweisen. „Über die Hälfte gibt an, dass ihnen die Gesellschaft nicht die Möglichkeit gibt, zu zeigen, was in ihnen steckt. Nicht wenige sind der Ansicht, dass der Verlauf ihres Lebens nicht in ihrer Macht liegt“, gibt die Ministerin zu bedenken, „offensichtlich haben zu wenige junge Menschen das Gefühl, Handlungsmacht zu besitzen – also aktiv und nach ihren Wünschen ihr Leben gestalten zu können.“ Hier müsse man ansetzen.

Für Dr. Susanne Eisenmann (CDU), Kultus-Ministerin in Baden-Württemberg, liegt das Grundproblem darin, „dass sich viele in der Politik nicht wiederfinden und das Gefühl haben, nichts bewegen zu können.“ Dabei gehe es in der Politik darum, die Wirklichkeit in kleinen Schritten durch immer neue Kompromisse zu verbessern. Das sei ein fortwährender und mitunter mühsamer Prozess, der nicht unmittelbar sichtbar ist. „Schülerinnen und Schüler sollten deshalb in der Schule konkret lernen, wie Politik gemacht wird und welche Beteiligungsmöglichkeiten sie in unserer Gesellschaft haben.“ Gleiches gelte auch für die schulische Medienbildung. Denn, indem Jugendliche in ihrer Medien- und Kommunikationskompetenz gefördert würde, desto mehr „lernen sie den verantwortungsvollen Umgang mit Medien und können diese kritisch hinterfragen.“

Der renommierte Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier ist dagegen skeptisch. Ein wesentlicher Grund für Vertrauenskrise ist für ihn, „dass generell in unserer Gesellschaft Kommunikation weitgehend als Manipulation betrieben wird.“ Kommunikation bestehe heute aus Sprach- und Bildspielen, denen es primär darum geht, eine Realitätsdeutung im Sinne einer Interessensgruppe zu propagieren. Es gehe also nicht um die Wahrheit, sondern um so genannte "Narrative", die entweder eine "alternative Wahrheit" konstituieren oder bestehende Realitäten verfremden und umzudeuten versuchen. „Vertrauen suchen deshalb junge Menschen vor allem in der ganz persönlichen kleinen Lebenswelt.“ Die Welt außerhalb des innersten Kreises der Beziehungen werde als "feindlich" wahrgenommen. Für Politik und Medien sei es daher sehr schwer, aus dieser Vertrauenskrise herauszukommen. „Der Zug ist abgefahren.“

Auch auf die Fragen der Bildungsgerechtigkeit versteht der Forscher die kritischen Einschätzungen der Befragten. 56 % der Deutschen Probanden (Österreich: 51 %) finden das Bildungssystem „ungerecht“ oder „eher ungerecht“ – in anderen Ländern (etwa Finnland, 15 %) sind es deutlich weniger. „Bildung wird als ungerecht empfunden, weil sie keine Aufstiegsgarantie mehr verspricht.“, erklärt Bernhard Heinzlmaier. Bildung garantiere bestenfalls eine bessere Startposition im sich zunehmend verschärfenden Konkurrenzkampf um gute Arbeitsplätze. Bildungstitel die früher wertvoll waren, würden heute entwertet. Es gebe zu viele "Gebildete", der Markt ist überschwemmt. Die Folge davon: die Einzelware sei weniger Wert. „Zu einer Änderung kann es nur kommen, wenn ein anderer Gerechtigkeitsbegriff etabliert wird, der jenseits des Marktes zu suchen wäre“.

Die baden-württembergische Bildungsministerin Dr. Susanne Eisenmann verweist dagegen auf die vielen Investitionen für die Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. „Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der Ausbau von Ganztagsschulen.“ Für viele Schülerinnen und Schüler ermöglichten sich durch eine ganztägige Betreuung Chancen, die im familiären Umfeld nicht unbedingt gegeben seien. Im Übrigen müsse es nicht immer das Abitur mit anschließendem Studium sein, um gute Startchancen fürs Berufsleben zu haben. „Die berufliche Bildung besitzt in Deutschland eine hervorragende Qualität und ist eine absolut gleichwertige Alternative zum Hochschulstudium.“

Die österreichische Bundesministerin Dr. Sonja Hammerschmid sieht Ganztagsschulen ebenfalls „als Motor für mehr Chancengerechtigkeit“. Zudem ermögliche die Gesamtschule eine höhere Chancengerechtigkeit was Bildung angeht und bleibe daher „grundsätzlich eine sozialdemokratische Forderung“. Denn Ziel bleibt: „Wir müssen die Aufstiegsmobilität erhöhen.“

 

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