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Datenschützer befürchtet Missbrauch durch Dritte bei Amazons Echo

Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz Quelle: Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz Prof. Dr. Dieter Kugelmann Landesbeauftragter Datenschutz Rheinland-Pfalz 16.02.2017
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Sprachassistenten haben ein großes Potenzial, das grundsätzlich positiv zu sehen ist. Die Entscheidung darüber, wie dieses genutzt wird, liegt letztlich in der Hand der Verbraucher. Das sagt Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz. Allerdings, so warnt der Datenschützer, "sollte unter Sicherheitsaspekten bedacht werden, dass die Geräte mit dem Internet verbunden und damit grundsätzlich für Zugriffe von außen erreichbar sind; für den Anbieter/Hersteller, aber auch für Dritte. Schwachstellen und Sicherheitslücken können so gegebenenfalls für eine vom Nutzer nicht erkennbare Überwachung ausgenutzt werden."







Ab sofort ist Amazons Sprachlautsprecher Echo auch in Deutschland erhältlich. Wie ist Ihre Einschätzung zu diesem Produkt?
Vergleichbare Lösungen kennt man seit einiger Zeit in Form der Sprachassistenten im Bereich von Smartphones, Tablets oder PCs („Siri“, „Google Now“, „Cortana“). Die Spracherkennung in Verbindung mit Steuerungs-, Informations- oder Assistenzfunktionen findet jedoch zunehmend Eingang in weitere Geräte und Gegenstände, bis hin zum Kinderspielzeug. Aus Datenschutzsicht ist dabei insbesondere von Bedeutung, dass die Spracherkennung nicht lokal in den Geräten erfolgt, sondern die Anweisungen, Anfragen usw. über die erforderliche Internet-Anbindung an entsprechende Server übermittelt und dort interpretiert, ausgeführt bzw. beantwortet werden. Das häusliche, private, persönliche Nutzungsumfeld wird damit in die Cloud hinein erweitert. Damit ergeben sich alle Probleme von Cloud-Diensten (z. B. Einhaltung der Zweckbindung) auch hier.

Der neue Sprachassistent in Boxenform ist nicht nur zum Musikhören, sondern ist als Einstieg ins Smart Home gedacht. Wird das Gerät die Heimelektronik für den Verbraucher revolutionieren?
Die Amazon-Lösung geht letztlich auf zwei aktuelle Entwicklungen zurück, den verbesserten Möglichkeiten der Spracherkennung/Sprachsteuerung und der zunehmenden Digitalisierung des häuslichen Umfelds. In dem Maß, in dem „Smart Home“-Lösungen eingesetzt bzw. vernetzt werden steigt die Bedeutung einer Einheit, die es erlaubt, die vorhandene Haus-, Sicherheits- und Unterhaltungstechnik von zentraler Stelle aus zu steuern. Insbesondere dann, wenn diese – optisch, wie technisch - „wohnzimmertauglich“ ist und ohne Zusatzgeräte, allein durch Sprache bedient werden kann. Ob die Verbraucher eine solche lautsprecher-Lösung bevorzugen, separate Steuereinheiten oder das Smartphone, dass eine Smart-Home-Steuerung auch von unterwegs erlaubt, wird sich zeigen. Die individuellen Lösungen der Nutzer werden sich sicherlich unterscheiden.

Der neue Alltagsassistent löst große Diskussion in Bezug auf die Privatsphäre und Datensicherheit aus, wie ist Ihre Meinung dazu?
Die Risiken sind offensichtlich. Je nachdem, wie intensiv man einen solchen Sprachassistenten nutzt, erfährt dieser einiges über einen. Interessen, Vorlieben, Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Und, je nach den Fähigkeiten derartiger Lösungen, auch der Mitbewohner, selbst, wenn diese das Gerät nicht nutzen. Derartige Daten sind in Form von Nutzungs- und Verhaltensprofilen Grundlage der personalisierten Werbung, einem Milliarden-Markt. Je mehr die Geräte wissen, desto besser können Sie ihre Assistenzfunktion erfüllen, desto gläserner ist man jedoch auch gegenüber den hinter diesen stehenden Prozessen und Unternehmen.
Es kommt daher darauf an, wie transparent und verständlich den Nutzerinnen und Nutzern die Verarbeitung ihrer Daten ist. Wer diese erhält, zu welchen Zwecken sie verarbeitet werden und, wie lange diese gespeichert bleiben. Und über welche Möglichkeiten sie verfügen, diese Verarbeitung zu beeinflussen oder zu unterbinden. Hier gibt es noch Verbesserungspotential. Unter anderem ist nicht ausreichend nachvollziehbar, wie, in welchem Umfang und durch welche Stellen die erfassten Informationen verarbeitet werden und ob eine Weitergabe an Dritte erfolgt.
Dadurch, dass die Geräte in aktiviertem Zustand permanent auf Anweisungen warten, ergibt sich eine Form der Audioüberwachung des jeweiligen Raumes. Die Entscheidung, ob die erfassten Audiodaten übertragen, gespeichert und interpretiert, werden hängt allein vom Aktivierungswort „Alexa“ ab. Unter Sicherheitsaspekten sollte in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass die Geräte mit dem Internet verbunden und damit grundsätzlich für Zugriffe von außen erreichbar sind; für den Anbieter/Hersteller, aber auch für Dritte. Schwachstellen und Sicherheitslücken können so gegebenenfalls für eine vom Nutzer nicht erkennbare Überwachung ausgenutzt werden. Inwieweit derartige Convenience-Geräte hinreichend standfest gegenüber derartigen Angriffen sind ist offen.

Wie viel Macht sollten Verbraucher grundsätzlich neuen Tools, wie Amazons Echo geben?
Aus Sicht des Datenschutzes muss beim Einsatz von Smart Home-Lösungen für die Nutzerinnen und Nutzer erkennbar sein, welche Daten, in welchem Umfang, in welcher Weise und zu welchem Zweck verarbeitet werden und welche Stellen auf diese zugreifen können. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte müssen Sie über ausreichende Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten verfügen. Hierzu sollten die Lösungen eine pseudonyme beziehungsweise anonyme Verarbeitung ermöglichen und Optionen anbieten, die es erlauben, Art und Umfang der Datenverarbeitung, die Verwendung der Daten für unterschiedliche Zwecke und die Dauer ihrer Speicherung zu bestimmen. Solange entsprechende Möglichkeiten fehlen, sollte man seine Daten nicht unreflektiert für eine diffuse Verarbeitung bereitstellen. Wichtig sind datenschutzfreundliche Voreinstellungen und Möglichkeiten, nicht benötigte Funktionen zu deaktivieren.
Sprachassistenten haben ein großes Potenzial, das grundsätzlich positiv zu sehen ist. Die Entscheidung darüber, wie dieses genutzt wird, liegt letztlich in der Hand der Verbraucher. Diese sollte auf der Grundlage einer ausreichenden Transparenz gefällt werden. Europäische Anbieter sind in diesem Zusammenhang an bestimmte rechtliche Vorgaben gebunden.

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