Wie schätzen Sie die journalistische Arbeit bei ARD & ZDF in Bezug auf Ihre Funktion als nationale Leitmedien ein?
Die Qualität der journalistischen Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nach meinem Eindruck nach wie vor hoch. Natürlich gibt es hier und da Ausnahmen, aber das kommt überall vor, wo Menschen unter Zeit- und Erwartungsdruck am Werk sind. Zunehmend angefragt sind ARD und ZDF aber hinsichtlich ihrer Bedeutung als nationale Leitmedien. In stärkerem Umfang informieren sich Menschen über soziale Netzwerke, und die Information dort ist oft genug selbstreferenziell. Da werden dann Botschaften schnell für die Wahrheit gehalten, nur weil sie häufig geteilt worden sind.
Existiert ein Glaubwürdigkeitsproblem bei den Öffentlich/rechtlichen oder haben wir es mit einem öffentlichkeitsheischenden Wutbürgertum zu tun, die ARD und ZDF grundlos herabqualifizieren?
Zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören nicht nur Kultur und Unterhaltung, sondern ganz wesentlich Information und Bildung. ARD und ZDF sollen also öffentliche Meinung nicht lediglich wiedergeben, sondern die Herausbildung dieser öffentlichen Meinung durch qualifizierte Information auch ermöglichen. Angesichts einer komplexer gewordenen gesellschaftlichen Wirklichkeit ist öffentliche Meinungsbildung durch qualifizierte Information aber schwieriger geworden. Und manche empfinden die Auseinandersetzung damit eben nicht als lohnende Anstrengung, sondern als lästige Gängelei. Dass sich diese Empfindung lautstark Gehör verschafft, mag als unangemessen bewertet werden, es spiegelt sich darin aber ein Grundgefühl, das Beachtung finden sollte.
Verstehen die etablierten Medien ihr Publikum noch oder braucht Deutschland neue Medieneliten?
Dass wir neue Medieneliten bräuchten, sehe ich nicht. Woher sollten die auch kommen? Was wir allerdings brauchen, ist eine ehrliche Reflexion der Verantwortung unserer Medien- (und sonstigen Verantwortungs-) eliten für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für Teile von ihr. Während die Aufgabe gelingender Integration in der Arbeit mit geflüchteten Menschen inzwischen klar gesehen wird, ist nach meiner Einschätzung die Gefahr einer Desintegration der Gesellschaft noch immer nicht hinreichend begriffen. (Medien-) Eliten dürfen es um der Stabilität der Gesellschaft willen nicht einfach hinnehmen, wenn, aus welchen Gründen auch immer, Teile dieser Gesellschaft „nicht mehr mitkommen“. Das Denken in Kategorien wie richtig und falsch, gut oder schlecht, beantwortet die Fragen noch nicht, die diese Menschen bewegen. Um eine angemessene Antwort zu finden, muss man sie aber mindestens hören.
Welche Vorschläge haben die Kirchen, um die Medien und die Öffentlichkeit wieder einander anzunähern und (gesamt)gesellschaftlich befriedend zu wirken?
In den kommenden Monaten gedenken wir eines halben Jahrtausends der Reformation. Ich bin dankbar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dieses Thema so prominent auf der Agenda hat. Ihre breite Wirkung hat die Reformation auch dadurch entfaltet, dass Luther den Menschen „auf’s Maul geschaut“ hat. Etwas weniger drastisch gesprochen: er hat nach der Relevanz der Botschaft für die Menschen gefragt. So ist es ihm gelungen, auch komplexe Sachverhalte verständlich zu machen. Medienmacher in diesem Bemühen immer wieder neu zu bestärken, das ist schon ein lohnender Beitrag.