Medizinische Eingriffe werden immer häufiger mit Roboter-Systemen unterstützt. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie darin?
Das Zusammenwirken von Körper, Geist und Seele macht das Wesen des Menschen aus. Das Wesen eines Computers wird bestimmt durch die Eingabe und Speicherung von Daten. Er kann dadurch wiederkehrende Situationen viel schneller erfassen, als das menschliche Gehirn. Insofern hat er eine Erinnerung, aber kein Gefühl.
Eine Operation ist ein ganzheitlicher Vorgang mit Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Bei der Durchführung der eigentlichen Operation ist der Computer schon lange eine unverzichtbare Assistenz in unterschiedlicher Ausführung. Der Arzt, das Operationsteam sind aber immer dabei. Auch bei einer MRT-Aufnahme, bei der der Patient im Zimmer allein mit dem Computer ist, überwacht das medizinische Team den Vorgang.
Dass sich der Ablauf von Operationen verändern wird, darüber bin ich mir sicher. Selbst die Anordnung der Geräte und Instrumente im Operationssaal werden ständig entsprechend optimierter Beispiele aus technologischen Abläufen der Industrie angepasst. Das wird fortschreiten. Die Entwicklung geht rasant voran. An der Digitalisierung kommt niemand mehr vorbei. Sie bringt für alle Entlastung. Operationen sind qualitativ besser ausführbar, wenn der Operateur durch Messdaten sekundenschnell die aktuellen Daten erkennt. Ein Computerarm ist präziser, als ein menschlicher Arm. Und ohne die PC-gesteuerte Vergrößerung einer schlecht einsehbaren Stelle im Körper können wir uns heute schon manche Operation nicht mehr vorstellen. Ich erinnere an die Euphorie, als die erste minimalinvasive Operation gelang. Das hat auch die Akzeptanz dieser neuen Methoden bei den Patientinnen und Patienten gestärkt. Und das wird weitergehen. Aber Ärzte sind nicht durch Computer ersetzbar, denn ihre jahrelange Erfahrung kann fachlich und emotional nicht auf Roboter übertragen werden. Selbst wenn man das irgendwann technisch kann und die technische Bedienung des Roboters durch den Menschen fehlerfrei gesichert ist, bleiben die menschliche Führung und Überwachung der Erfolgsfaktor für eine gelungene Operation.
Inzwischen gab es Versuche mit Fernoperationen, bei denen lediglich der OP-Roboter nicht aber der Arzt im OP-Saal war. Wie bewerten Sie das?
Das ist für mich nicht vorstellbar, weil völlig offen ist, was bei unvorhersehbaren Situationen passiert. Denn wie gesagt, jeder Mensch, der sich einer Operation unterziehen muss, ist ein ganz spezieller. Wir Menschen sind keine Maschinen.
Nach unserer derzeitigen Rechtslage hat jeder Patient das Recht auf einen Arzt vor Ort. Das zu ändern, bedarf einer umfassenden gesellschaftlichen Diskussion. Das ist keine Aufgabe allein der Politik. Es existieren medizinische und datenschutzrechtliche Grenzen. Ob wir diese verändern oder gar auflösen, ist eine ethische Diskussion.
Welche rechtlichen Regeln müssten ggf. geändert werden, damit Fern-OPs z.B. auch über Ländergrenzen hinweg möglich werden?
Neben der bereits erwähnten ethischen Diskussion und dem umfassenden Sammeln und Bereitstellen aller denkbaren gesundheitlichen und persönlichen Daten des Menschen, mit dem der Roboter gefüttert werden muss, treten u.a. haftungsrechtliche Fragen auf. Das Arztrecht müsste geändert werden, auch das Patientenrecht. Den gesamten Änderungsbedarf bei der gesetzlichen Regelung einzuschätzen, ist bei dem derzeitigen Stand der Diskussion nicht möglich.
Welche Rechte sollte der Patient bezüglich der Roboter-Chirurgie haben? (etwa: Wahl eines Fern-Arztes, oder Verzicht auf Roboter-OPs)
Auch in Zukunft muss das Patientenrecht und Patientenwohl an erster Stelle stehen. Dazu gehört das Recht auf Information, Aufklärung und Selbstbestimmung. Das bedeutet, dass jede medizinische Maßnahme nur nach erfolgter Einwilligung erfolgen darf. Und dazu gehören natürlich die freie Arztwahl und damit der Verzicht auf eine Roboter-OP. Wenn ein Patient anders entscheidet, ist es sein Recht. Er trägt mit seiner Entscheidung auch die Verantwortung mit.
Welche Gefahren gehen von Cyber-Angriffen für computer-assistierte Chirurgie aus – und wie sollte der Patient ggf. davor geschützt werden?
An vielen Ereignissen mussten wir zur Kenntnis nehmen, wie anfällig auch die medizinische Versorgung gegenüber Cyber-Angriffen ist. In der digitalen Medizin verstärkt sich das sogar. Ob es jemals gelingt, alle Sicherheitsrisiken auf Dauer in der digitalisierten Welt auszuschließen, weiß niemand. Die Zweifel daran sind jedenfalls groß. Dieser Fakt unterstreicht die Notwendigkeit eines Arztes vor Ort.