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teilAuto fordert schärfere Definitionen in geplantem Car-Sharing-Gesetz

Wer Privilegien bekommen sollte - und wer nicht

Niklas Wachholtz, Thüringer Regionalleiter bei teilAuto Quelle: teilAuto Niklas Wachholtz Thüringer Regionalleiter teilAuto 30.09.2016
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Nach dem Inkraftreten des Car-Sharing-Gesetzes wird wegen der Ausgestaltung der Regeln auf Ebene von Ländern und Kommunen "vermutlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, bis es wirklich zur konkreten Umsetzung kommt", befürchtet der teilAuto-Manager Niklas Wachholtz. Zudem fordert er klare Zielvorgaben und Bestimmungen für den Zugang zu Privilegien.







Bundesverkehrsminister Dobrindt plant ein Car-Sharing-Gesetz – überfällig oder überflüssig?
Ein Gesetz, das eine rechtssichere Möglichkeit zur Einrichtung von Carsharing-Stationen im Öffentlichen Straßenraum vorsieht, wird seit etlichen Jahren von der Carsharing-Branche gefordert. Insofern ist der vorgelegte Gesetzesentwurf mehr als überfällig und wird in der Branche sehnlichst erwartet. Die Anwendung und konkrete Ausgestaltung der Regelungen liegt nach dem Gesetzentwurf Dobrindts jedoch weitestgehend bei den Kommunen. Politik, Verwaltung und Anbieter vor Ort müssen dafür an einem Strang ziehen. Nach dem Inkraftreten des Gesetzes wird es deshalb vermutlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, bis es wirklich zur konkreten Umsetzung kommt.

Unter anderem sollen geteilte Autos bei öffentlichen Parkplätzen privilegiert werden dürfen. Wie könnten und sollten Car-Sharing-Anbieter behandelt werden?
Das Gesetz sieht eine Privilegierung in zweierlei Hinsicht vor: Einerseits sollen die Nutzer von Carsharing-Fahrzeugen diese auf ausgewiesenen Parkplätzen abstellen dürfen sowie auf bewirtschafteten Flächen von der Gebührenpflicht befreit werden können. Das betrifft in erster Linie Nutzer stationsunabhängiger Angebote (Free-Floating-Carsharing). Zum anderen sieht das Gesetz für stationsbasierte Angebote fest reservierte Stellplätze vor, die im Rahmen einer Sondernutzungsgenehmigung befristet vergeben werden können.

Für beide Varianten ist Voraussetzung, dass der jeweilige Anbieter die im Gesetz benannte Carsharing-Definition erfüllt und die Carsharing-Fahrzeuge als solche kenntlich gemacht sind. Wir als Anbieter wünschen uns dabei eine faire und diskriminierungsfreie Behandlung, insbesondere sollte sich die Vergabe anbieterspezifisch reservierter Stellplätze am Bedarf der Nutzer orientieren: wohnortnah und gut erreichbar.

Kritiker sagen, dass die positiven Effekte für Umwelt und Verkehrsaufkommen bei sogenannten Free-Floating-Anbietern geringer ausfallen, als beim klassischen Car-Sharing. Wie sollte dem Rechnung getragen werden?
Das Gesetz muss und wird beide Varianten gleich behandeln. Welches Carsharing-Angebot das für sie geeignetste ist, entscheidet letztlich die jeweilige Kommune anhand ihrer Klimaschutzziele und ihres lokalen Verkehrskonzepts. Während im stationsbasierten Carsharing relativ hohe Autoabschaffquoten möglich sind, fallen diese bei Free-Floating-Anbietern geringer aus, werden dort allerdings zum Teil durch einen wesentlich höheren Kundenstamm kompensiert. Ausgeschlossen werden sollten aus unserer Sicht Angebote, die etwa durch ihren Tarif zusätzliche Fahrtanreize bieten, unökologische Flotten auf die Straße bringen oder tendenziell den Pkw-Besitz fördern.

Welche weiteren Regelungen sollte ein Car-Sharing-Gesetz aus Ihrer Sicht unbedingt enthalten? Bzw. welche auf keinen Fall?
Die Zielbestimmung des Gesetzes in § 1 sollte um das Ziel der Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und der Flächeneinsparung im ruhenden Verkehr erweitert werden. Auch halten wir die für die Carsharing-Definition in § 2 genutzten Begriffsbestimmungen nicht für ausreichend, um förderfähige von nicht förderfähigen Dienstleistungen zweifelsfrei zu unterscheiden. Hier muss genauer formuliert werden.

Weiterhin ist aus unserer Sicht eine zusätzliche Regelung für Carsharing-Angebote in Bewohnerparkzonen notwendig. Ebenso sollte die Spanne für die Vergabe der Sondernutzungserlaubnisse nach § 5 auf maximal acht Jahre heraufgesetzt werden. Die Vergabeverfahren für die über Sondernutzung vergebenen anbieterspezifisch zugeordneten Carsharing-Stellplätze sollten so einfach wie möglich sein. Dabei sollte auch ein einfaches Antragsverfahren zulässig sein.

Mit einer klar im Straßenverkehrsrecht verankerten und somit bundesweit einheitlichen Rechtsgrundlage hätte das nun absehbare mehrstufige und damit verzögerte Verfahren vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen vermieden werden können. Die Mehrheit der deutschen Carsharer hätte sich eine solche straßenverkehrsrechtliche Lösung gewünscht. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken hat der Gesetzgeber einen anderen Weg gewählt. Deswegen benötigen wir eine zeitnahe und koordinierte bundesweite Umsetzung des §5 CsgG (Sondernutzung) in die Landesgesetze, gleichzeitig sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass alle nach dem CsgG ermächtigten unselbstständigen Verordnungen so schnell wie möglich vorgelegt und umgesetzt werden.

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